Das Immunsystem schützt den Körper vor einer Ausbreitung von Infekten und eliminiert Keime, die über den Blutweg streuen. Ein Implantat ist jedoch ein unbelebter Fremdkörper. Er kann sich nicht selbst vor der Besiedelung mit Bakterien schützen.

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Die Infektion eines künstlichen Hüft- oder Kniegelenks gehört zu den gefürchtetsten Komplikationen in der Endoprothetik. Sie kann auch noch Jahrzehnte nach der Implantation auftreten – und zieht dann oft langwierige und aufwendige Behandlungen mit mehreren Operationen nach sich. Erreger aus einem Infektherd können sich über die Blutbahn auf das Implantat ausbreiten und dort vermehren.

Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik rät deshalb dazu, auch kleine Wunden, entstanden etwa beim Nägel schneiden, bei der Gartenarbeit, oder beim Spiel mit dem Haustier, immer sofort fachgerecht zu desinfizieren und im weiteren Heilungsverlauf im Auge zu behalten. Treten Beschwerden wie Rötung und Schwellung des Gelenks und vor allem anhaltende Belastungsschmerzen auf, sollten diese umgehend vom Arzt abgeklärt werden.

Zwischen 0,5 bis zwei Prozent aller Patienten erleiden eine sogenannte periprothetische Infektion ihres Hüft- oder Kniegelenks. "Die Besiedelung mit schädlichen Bakterien kann sowohl in der frühen Phase nach der Operation als auch Monate bis Jahre danach auftreten", sagt Rudolf Ascherl von der Klinik für spezielle Chirurgie und Endoprothetik am Krankenhaus in Tirschenreuth.

Unbelebter Fremdkörper

Dabei rufen die Erreger zunächst eine Entzündung in der Implantatumgebung hervor. Später löst sich der prothesentragende Knochen auf. Schmerzen und eine Lockerung des künstlichen Gelenks sind die Folge. Neben den periprothetischen Infektionen, bei denen Bakterien bereits während der Operation eindringen, entstehen Implantatinfekte auch durch Zirkulation von Erregern im Blut. "Auslöser dieser über den Blutweg gestreuten Infektionen können größere Entzündungen, etwa von Blase oder Lunge sein", sagt Karl-Dieter Heller, Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig.

"Als weitere mögliche Ursachen kommen aber auch Bakterienquellen wie offene Beine, eine blutig verlaufende Zahnbehandlung, eine Darmspiegelung, bei der Polypen abgetragen werden, oder eine eher unscheinbare Verletzung beim Heimwerken in Frage. Trägt der Patient weitere Fremdkörper, etwa künstliche Herzklappen, die sich infiziert haben, können auch diese Keime auf die Gelenkprothese verschleppt werden", ergänzt Ascherl.

Normalerweise schützt das Immunsystem den Körper vor einer Ausbreitung von Infekten und eliminiert Keime, die über den Blutweg streuen. Ein Implantat ist jedoch ein unbelebter Fremdkörper. Er kann sich nicht selbst vor der Besiedelung mit Bakterien schützen. "Deshalb bleiben Bakterien dort bevorzugt haften. Da sie sich auf der künstlichen Oberfläche ungestört vermehren können, sind sogar schon verhältnismäßig wenige Keime in der Lage, eine ernsthafte Infektion auszulösen", erläutert Ascherl.

Schmerzen sind Alarmzeichen

Auf der Oberfläche der Prothesen beginnen sie bereits innerhalb von wenigen Tagen, einen Schleimfilm zu bilden. "Bakterien, die sich innerhalb dieses sogenannten Biofilms befinden, sind vor dem Angriff durch Antibiotika und des Immunsystems geschützt", erklärt der Orthopäde. "Eine realistische Chance, die Infektion durch Antibiotika in den Griff zu bekommen, besteht deshalb nur in den ersten drei Wochen nach Beginn der Symptome."

Umso wichtiger sei es, schnell eine Behandlung einzuleiten."Patienten mit einem künstlichen Gelenk sollten deshalb ihr Leben lang ihren Körper von Kopf bis Fuß besonders aufmerksam pflegen. Schmerzen am operierten Gelenk sind immer ein Alarmzeichen und müssen umgehend vom Arzt abgeklärt werden", betont Ascherl. (red, 9.7.2019)