Kein Bundespräsident in der Geschichte der Zweiten Republik hat derartig turbulente innenpolitische Zeiten erlebt wie Alexander Van der Bellen, keiner hat so stark wie er auf die Ausnahmeregelungen der plötzlich als "schön" empfundenen Bundesverfassung zurückgreifen müssen. Jetzt sitzt er da, murmelt freundlich in seinen Bart, wie man es bisher nur von Rudolf Kirchschläger und Heinz Fischer kannte (abgesehen davon, dass diese keine Bärte trugen): Er sei "schon ein bisschen stolz darauf, wie wir das hingekriegt haben". Es ist diese ruhige, freundliche Art, die die Österreicherinnen und Österreicher in Umfragen am Staatsoberhaupt schätzen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist ein Präsident für (fast) alle.
Foto: Christian Fischer

Soweit man sich erinnern kann, haben in den Wahlkämpfen der vergangenen Jahrzehnte alle Kandidaten das Ziel formuliert, "Bundespräsident für alle Österreicher" zu werden – es ist ihnen in unterschiedlichem Maß gelungen: Die Anerkennung oder gar Sympathie für Kurt Waldheim reichte kaum über seine Wählerschaft bei der Wahl 1986 hinaus. Umgekehrt: Bis ins Frühjahr lag die Zustimmung zu Van der Bellen auch nicht über dessen Wahlergebnis von 2016. Das hat sich geändert.

DER STANDARD

Van der Bellen hat es geschafft, ziemlich populär zu werden, wie eine STANDARD-Umfrage im Juni ergeben hat: Er ist ein Präsident für (fast) alle. Das verleiht ihm zusätzliche Autorität. Er wird sie bei der absehbar schwierigen Regierungsbildung im Herbst brauchen können.(Conrad Seidl, 9.7.2019)