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Reisende haben viel zu erzählen – so heißt es. Zunehmend sind es aber Ärgernisse, über die man sich austauscht. Vor allem bei Flugreisen gehören Störungen mittlerweile zum Alltag.

Foto: Getty Images / ArtesiaWells

Man hat seine spärlichen Urlaubstage so gelegt, dass sich der Kurztrip in den Süden exakt ausgeht. Gemeinsam mit Freunden, mit denen man zwischen den stressigen Arbeitstagen auszuspannen gedenkt. Wäre da nicht die schlechte Nachricht kurz vor Reisebeginn: Sie fliegen nicht wie gebucht früh am Morgen, sondern spätabends. Und schon ist das minutiös geplante Zwickeltag-Wochenende aus den Fugen.

Oder: Man will mit Kind und Kegel seine Reise über den Atlantik antreten, schafft es mit Müh und Not rechtzeitig zum Flughafen. Und dann eine schwere Irritation: Die Airline erklärt einem, dass das Kind bei diesem Flug leider nicht mitkann. Später würde es gehen.

Viele Varianten der Vermiesung

Es gibt viele Arten, Zeitgenossen den Urlaub oder zumindest die Anreise im Flugzeug zu verderben. Streiks – wie sie derzeit wieder einmal am Flughafen Wien drohen -, Verspätungen, Flugstreichungen. Alles bis zum Abwinken aus dem vorigen Chaossommer bekannt. Ob es heuer so schlimm kommt, wird man sehen.

Die Airlines und Flughäfen haben versprochen, dass es besser wird. Sie wollen mehr Ersatzflugzeuge und Crews bereithalten, damit nicht mehr jedes technische Problem direkt beim Fluggast landet. Und sie wollen die Bodenzeiten großzügiger kalkulieren. Die für die Flugsicherheit zuständige Austro Control bildet außerdem in großem Stil Fluglotsen aus, deren Mangel ebenfalls ein Grund für Sand im Getriebe ist.

Bitte warten

"Flug überbucht" ist ein Störfeuer mehr im ohnehin getrübten Luftfahrthimmel, ein Massenphänomen ist es nicht. Doch was für manche lediglich ein leidiges Übel ist und unter "nicht der Rede wert" verbucht wird, kann für andere zu einem echten Drama ausarten. So geschehen jüngst am Flughafen von Mallorca. Bei der Gepäckaufgabe wurde einer Mutter lapidar mitgeteilt, dass der Flug bei der britischen Easyjet überbucht sei. Ihre Tochter könne nicht mitfliegen. Der Sprössling war drei Jahre alt. Die Nachricht ging um die Welt, auch wenn die Sache gut ausging: Die Auswahl des Mädchens war auf eine Panne des automatischen Auswahlsystems zurückzuführen. Am Airport von Palma soll auch dem Check-in-Manager bewusst geworden sein, dass das so nicht gehen kann, womit der Vater des Kindes auf dem überbuchten Ticket landete. Zu guter Letzt durften alle an Bord.

Dumm gelaufen, sicher. Aber im Grunde hat die Sache System. Airlines verkaufen mehr Tickets, als Sitzplätze vorhanden sind. Es ist eine Frage des kühlen Rechnens – denn regelmäßig erscheinen Passagiere nicht. Weil sie umbuchen, einen flexiblen Flugtarif haben oder schlicht den Flug verpassen. Die AUA etwa hatte 2018 durchschnittlich drei Prozent sogenannte "No-Shows" auf ihren Flügen. Mit anderen Worten: Rund fünf Passagiere pro Flug traten ihre Reise nicht an.

Deswegen legen Fluggesellschaften Überbuchungsraten fest, um ihre Flugzeuge möglichst zu füllen. Auf Basis von Daten aus der Vergangenheit versuchen sie via Algorithmus zu berechnen, wie das für den jeweiligen Flug aussehen wird. Abweisungen am Check-in oder Gate basieren also auf Prognosefehlern. Tendenziell haben Vielflieger und jene mit teuren Tickets bessere Chancen, nicht "aussortiert" zu werden.

Planmäßig überbucht

Laut Schätzungen sind Flugzeuge planmäßig um rund zehn Prozent überbucht. Einheitliche Schlüssel gibt es nicht, sie dürften sogar auf unterschiedlichen Flügen innerhalb der Gesellschaften unterschiedlich sein. British Airways räumte einmal ein, rund 500.000 Sitze in einem Jahr überbucht und 24.000 Kunden in diesem Zeitraum "ausgesetzt" zu haben.

Der deutsche Luftfahrtexperte Christoph Brützel schließt nicht aus, "dass unter dem Druck des Wettbewerbs das Verhalten der Airlines bei der Festlegung der Überbuchungsraten aggressiver geworden ist". Vor allem wenn der nächste Flug eine Stunde später geht, ist das für eine Fluggesellschaft kostengünstig. Anders sieht es bei mehrstündigen Verspätungen aus – dafür müssen Passagiere entschädigt werden. Es komme aber auch vor, dass auf Langstrecken wetterbedingt die Nutzlast der Flugzeuge unter den regelmäßig geplanten liege, so Brützel. In diesem Fall dürften die Airlines nicht alle Plätze besetzen.

Überbuchung nicht zwingend Nachteil

Für Reisende muss eine Überbuchung kein Nachteil sein. Denn zunächst werden Freiwillige gesucht. So mancher nimmt das Angebot dankend an, gibt es dafür doch eine finanzielle Kompensation. Wenn es zu den Reiseplänen passt, zuweilen kein schlechtes Geschäft. Und nachdem Fliegen rund um die Klimadebatte ins Gerede kam, mag ein weiterer Aspekt trösten: Durch das maximale Ausnutzen aller Sitzplätze werden letztlich auch weniger Flugzeuge benötigt – wodurch die Belastung für die Umwelt ein klitzekleines bisschen geringer ausfällt. (Regina Bruckner, 9.7.2019)