Ein froher, offener Ort, an dem auch noch außerordentlich gut gekocht wird: das Café des Neunerhauses in Wien-Margareten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Offene Sellerie-Ravioli, gefüllt mit Gemüsepüree auf Rote-Rüben-Creme mit gepopptem Buchweizen

Foto: Gerhard Wasserbauer

Christopher Kastelan war zuletzt im Birdyard zugange, wo er gemeinsam mit Henri Diagne und Maximilian Hauf eine der aufregendsten – für die Betreiber aber auch selbstausbeuterisch günstigen – Gourmetküchen der Stadt kochte. Ging sich erwartungsgemäß nicht ewig aus. Diagne kocht mittlerweile wieder in Deutschland, Hauf plant sein eigenes Ding in der Neustiftgasse (bald!), und Kastelan bringt sein Können seit vergangenem November in ein Projekt ein, bei dem man einen in Nobelküchen gestählten, an Kaisergranat und Artischocke ausgebildeten jungen Spitzenkoch eher nicht erwarten würde.

Das Neunerhaus in der Margaretenstraße, wo wohnungslosen Menschen praktische, zahn- und tierärztliche Betreuung geboten wird, hat ein Café, wo es auch die Möglichkeit gibt, auf niederschwellige Art mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zu sprechen. Das schlichte, stimmungsvolle Speisezimmer mit der offenen Küche und dem Schanigarten unter alten Bäumen ist ein heller, freundlicher Ort, an dem nicht nur jeder sein darf, sondern zur Abwechslung auch einmal alle gleich sein dürfen.

Punks im Neunerhaus

Weil dafür Anna Schwab verantwortlich zeichnet, die mit Patrick Müller zuvor das fantastische Punks in der Florianigasse und das unglaublich gute Essen in der Creau gemacht hat, geht es hier aber nicht nur um die Qualität der Begegnung, sondern auch um die des Essens. Die Idee, dass auch jene, die es sich eigentlich gar nicht leisten können, der besonderen Energie herausragend zubereiteter Speisen teilhaftig werden sollten, mag exzentrisch wirken – im Café des Neunerhauses wird sie gelebt.

Eingekauft werden nur Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide aus Bioanbau – wenn es einmal Fleisch, Fisch oder Obst gibt, dann aus Spenden. Die Lieferanten sind Spitzenbetriebe wie die Gärtner von Krautwerk, Gin oder Fuchslochhof, die Bauern Wiesinger und Figl mit ihren fantastischen Linsen und Kichererbsen – alles Betriebe, die sonst vor allem Gourmetrestaurants beliefern. Dank einer Kooperation mit den Lebensmittelrettern von Foodsharing gibt es immer wieder frische Beeren und anderes, übrig gebliebenes Gebäck kommt von der großartigen Bäckerei Felzl, manchmal gibt es sogar Fleisch vom Biofleischhauer am Sonnbergmarkt. Und regelmäßig geht Christopher Kastelan im Wald spazieren, legt Hollerblüten in Salz und Magnolienblüten in Essig ein oder versucht der Wildnis sonst wie die eine oder andere Delikatesse zu entreißen.

Essen für die Götter

Es gibt ein täglich wechselndes Mittagessen, dazu selbstgemachte Säfte und Hawelka-Kaffee. Das kann zum Beispiel in Waldmeister gegarter Spargel sein, auf Erdäpfel-Gemüse-Püree mit einer ganz unglaublichen Spargel-Butter-Sauce und Mohnchips. Oder noch zart knackige, offene Sellerie-Ravioli, gefüllt mit hintergründig pikantem Gemüsepüree auf schillernd fruchtiger Rote-Rüben-Creme mit ein bissl gepopptem Buchweizen obendrauf. Oder, abgehoben gut, im Ofen angeknusperte, innen cremige Süßkartoffeln mit einer zu akkurater Brunoise geschnittenen, knackigen Gemüsesalsa aus Fenchel, Kohlrabi, Spargelsalat mit luftiger Zitronenmayonnaise und den bereits erwähnten bissig sauren Magnolienblüten.

Jeder gibt für diese Herrlichkeiten, was er kann – natürlich im Bewusstsein, damit möglichst auch einem anderen, der sich Bezahlung nicht leisten kann, das Essen zu finanzieren. Mit einer Spende, die dem Preis eines ortsüblichen Mittagstellers entspricht, würde sich das annähernd ausgehen. Dass gar nicht so wenige glauben, für Essen solch seltener Köstlichkeit noch weniger geben zu wollen, kann einen doch ein bissl wundern (Severin Corti, RONDO, 12.7.2019)