1. Elbasan: Eine Stadt wie ein Kulturgut

Gastfreundschaft gehört im mittelalbanischen Elbasan zum guten Ton. Dafür ist die Stadt am Shkumbini-Fluss weithin bekannt. "Eine Frage der Ehre", erklären Ermioni und Dashamir Qorri. Ihr Haus liegt innerhalb der historischen Stadtmauern, liebevoll restauriert, der kleine Garten blüht. Frisch frisiert serviert die 65-jährige Ermi oni auf der Terrasse im Innenhof türkischen Kaffee und hochprozentigen Raki. Ihre Nachbarn sind ausgewandert, auch zwei ihrer Kinder. Doch die Qorris blieben. "Das ist nicht immer einfach", sagt der 74-jährige Dashamir, weshalb das Paar Touristen einlässt, um die Pension aufzubessern. "Wir sind ein glückliches Haus", betont Ermioni, weil es von zwei Gotteshäusern umgeben sei. Von der orthodoxen Marienkirche und der katholischen Christuskirche, die von der Zerstörung religiöser Gebäude in der Hoxha-Ära verschont blieben.

Noch ist die Köngismoschee in Elbasan renovierungsbedürftig, aber bald könnte ihr Inneres in altem Glanz erstrahlen. Die Ethem Bey-Moschee in Tirana (Bild) wurde bereits aufwändig restauriert.
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Das Kopfsteinpflaster der Elbasaner Altstadt flüstert von Vergangenem, der Herrschaft von Griechen, Römern, Byzantinern und Osmanen. Das Südtor öffnet den Mauerring zur Gegenwart. Auf der Prachtstraße Bulevardi Qemal Stafa mit Palmen und kommunistischen Wohnblocks flanieren sonnenbebrillte Elbasaner mit Smartphones. Frauen mit Kopftüchern sind selten. Die meisten Albaner kleiden sich westlich. Und doch soll der Ruf der Muezzine wieder ertönen. Elbasan bekommt eine von der Türkei finanzierte neue Großmoschee. Die Königsmoschee, die älteste erhaltene im Land, wird restauriert.

Am Stadtrand offenbart das einst gefeierte Eisenhüttenkombinat "Stahl der Partei", dass Elbasan einmal der größte Industriestandort Albaniens war. Mittlerweile ist es eine gigantische Industrieruine. Freunde des Morbiden träumen von Event-Locations, irgendwann.

Gut neun Kilometer südöstlich von Elbasan ist Pal Qosja über die heutige Glaubensfreiheit glücklich. Im Dorf Shelcan wacht der Priester seit 26 Jahren über ein Kleinod aus dem 14. Jahrhundert. In der orthodoxen Nikolauskirche, einer bescheidenen Hallenbasilika, richtet er seinen Zeigestock auf die farbenprächtigen Gemälde, die Albaniens berühmtestem Freskomaler Onufri aus Berat zugeschrieben werden. "Ein Gottesgeschenk, dass es die noch gibt", sagt er. Als Kulturdenkmal haben sie die Diktatur überlebt.

2. Gjipe-Bucht: Ein Strand wie aus "The Beach"

Nach einer Woche an der Albanischen Riviera haben wir die lokaltypische Logik begriffen und schmunzeln bereits wissend: Selbstverständlich muss eine albanische Abzweigung nie marktschreierisch durch die aufdringliche Anwesenheit von Wegweisern auf sich aufmerksam machen. Nebenstraßen sind in diesem Land unübersehbar, weil oft überdimensioniert. Vor allem solche, die im Nichts enden.

Den Gjipe-Strand erreicht man nur zu Fuß oder mit dem Jeep. Wenn die Tagesausflügler wieder weg sind, muss man die Bucht nur mit wenigen Campern teilen.
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Zum Nichts zwischen Iljas und Vuno führt ein 2009 von der Weltbank finanziertes Asphaltband mit theoretischer Airbus-Landeoption und Straßenlaternen ohne Stromanschluss. Eine Einweiserin erwartet uns dort und bittet darum, den Wagen platzsparend unter Olivenbäumen zu parken. Sie befürchtet wohl auch an diesem Tag einen Massenansturm auf die Gjipe-Bucht, und auch an diesem Tag erweist sich ihre Furcht als unbegründet.

Nur wenige Wandersleut' und zwei Defender-Jeeps mit Dachzelt und Tegernseer Nummerntafel haben den steinigen Maultierpfad vom improvisierten Parkplatz bis an den feinsandigen Rand des Ionischen Meeres hinter sich gebracht. An der kristallklaren Bucht werden wir vom Rattern eines Dieselgenerators begrüßt, der einzig die alte Cimbali-Espressomaschine mit Strom und uns mit zwei Ristretti in der Strandbar zu versorgen hat.

Der erste Eindruck von relativer Stille an diesem Julimorgen sollte uns nicht getäuscht haben: Ja, es kommen noch weitere Tagesausflügler über den Pfad und ein paar mit dem Boot aus Himara, sie belegen etwa die Hälfte der Sonnenliegen und schießen Selfies in den Seegrotten entlang der Steilküste. Doch schon am späten Nachmittag müssen wir den schattigen Zeltplatz am Ausgang der Gjipe-Schlucht nur mehr mit ein paar Dutzend Abenteuern teilen, und in der Taverne liegen zum Sonnenuntergang die Doraden auf dem Grill.

In der Gjipe-Bucht scheint die Zeit stillzustehen. Trotz der überdimensionierten Zubringerstraße aus dem Jahr 2009. Ihr Strand wirkt noch immer wie jener aus "The Beach" mit Leo DiCaprio. Doch der Film ist auch schon wieder 19 Jahre alt – und Albanien schon fünf Jahre EU-Beitrittskandidat.

3. Shebenik-Jabllanice-Nationalpark: Ein Gebirge wie ohne Bergsteiger

Wenn die Sommerblume blüht, schmilzt der letzte Schnee auf den Gipfeln des Shebenik-Massivs", sagt Laurenc Tupi zu den Wanderern hinter dem Dorf Fushe-Studen, wo sich alpine Wiesen wie rote Teppiche ausbreiten. Auch von der blauen Vogelblume kennt der 31-Jährige nur den volkstümlichen Namen. Englisch spricht er kaum, und doch führt er gern Besucher durch den Shebenik-Jabllanice-Nationalpark im äußersten Osten des Landes.

Der Shebenik-Jabllanice-Nationalpark zählt seit 2017 teilweise zum Unesco-Weltnaturerbe.
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Ob der Tourismus den erhofften Segen bringt, daran zweifelt der Albaner wie manche im Shkumbini-Tal. Im Innern seines Herzens ist er froh darüber, dass der 2008 gegründete Nationalpark mit seinem Unesco-geschützten Buchenurwald, den Schluchten, vierzehn Gebirgsseen und der großen Artenvielfalt wie Balkanveilchen oder dem bedrohten Balkanluchs so unbekannt ist. Er mag Leute nicht, die mit lauten Geländewagen die Ruhe der Wälder stören und Picknickreste liegen lassen. Und doch träumt er sich die Zeit zurück, als im Tal noch 3000 Menschen lebten, sein Dorf einen Fleischhauer und einen Bäcker hatte. Die Moschee ist geblieben, die Bewohner wanderten bis auf dreißig Familien ab. Auch die Investruine eines Hoteliers macht wenig Mut – zu wenig Know-how, zu wenig Personal, zu wenig Touristen.

Das will Juli Balla ändern. "Ohne Eigeninitiative kann nichts gelingen", sagt der Chefranger des größten albanischen Nationalparks. Für den Naturschützer liegt die Zukunft im nachhaltigen Tourismus. Anders als die stark besuchten Albanischen Alpen im Norden sei das Shebenik-Jabllanice-Gebirge touristisch nie im Fokus gewesen. Eine gute Voraussetzung, findet der 33-Jährige. Von der albanischen Regierung erwartet er nichts. Fördermittel wie jene für die halbfertige Straße von Librazhd nach Fushe-Studen versickern in dunklen Kanälen.

Inzwischen hat das Dorf ein Besucherzentrum mit Infocenter und Schlafgelegenheiten. Im Restaurant Bei Fatis gibt es Frühstück und warme Mahlzeiten. In den letzten drei Jahren markierten die Ranger elf Wanderwege. Der kürzeste dauert 30 Minuten, der längste vier Stunden. Wenn Laurenc Tupi entscheiden könnte, würde er nur Touristen in den Shebenik-Jabllanice-Nationalpark lassen, die die Natur schätzen und auf sie achtgeben – und irgendwann würde er eine Zipline-Anlage bauen. (Beate Schümann, Sascha Aumüller Rondo, 13.7.2019)