"Ich habe 1978 als ganz junger Mann bei Bösendorfer begonnen, Klavierbau zu lernen. Das war ganz schön aufregend, als ich zum ersten Mal in der alten Fabrik in Wien auftauchte. Mich hat die Kombination aus technischem Beruf und musikalischem Hintergrund gereizt. Mittlerweile sind 41 Jahre vergangen und ich darf mich 'Senior Product Designer und Artist Relation Manager' nennen.

Der Mann mit den Flügeln: Ferdinand Bräu arbeitet seit über 40 Jahren bei Bösendorfer. Er ist für die Instrumente ebenso zuständig wie für die Betreuung großer Konzertpianisten.
Foto: Nathan Murrell

Das heißt, ich arbeite an der Entwicklung neuer Instrumente mit und bin auch mit der Betreuung von Kontakten zu unseren vielen Künstlern betraut. Beides gehört in unserem Haus schon seit mehr als 190 Jahren eng zusammen. Wie soll ich es sagen? Der eine kann nicht ohne den anderen und umgekehrt. Es geht um die Bespielbarkeit der Mechanik, also um die Frage, wie es sich anfühlt, wenn man die Tasten hinunterdrückt, und dann ist da noch der unglaublich vielfältige akustische Output. Das Klavier hat enorme klangliche Möglichkeiten. Die reichen vom dezenten kammermusikalischen Begleiter bis hin zum großen solistischen Instrument. Aus all dem resultieren schier unzählige Anforderungen, die mit den Pianisten abgestimmt werden müssen.

Ich kann mich gut erinnern, als ich als junger Konzerttechniker zu einem Stiftskonzert bestellt wurde, um den Flügel des großen Alfred Brendel zu betreuen. Wir haben das Instrument komplett durchgecheckt. Das war eine immense Herausforderung, ich war gerade mal 18. Als ich im Konzert saß, war ich 100-mal aufgeregter als der Pianist. Passieren kann immer etwas, wir sprechen von mechanischen Teilen. Das ist wie bei einem Formel-1-Rennen, bei dem eine Radaufhängung bricht. Ein anderer, sehr aufregender Einsatz war mit Sir András Schiff im Linzer Brucknerhaus. Faszinierend, wenn man da so hautnah randarf.


Einblicke in die Fertigung bei Bösendorfer.
Foto: Nathan Murrell

Klar ist auch der Klavierbau eine sehr traditionelle Angelegenheit und hat sich in den letzten 100 Jahren nicht wahnsinnig gewandelt. Gewisse Bereiche lassen sich allerdings schon noch ausreizen. Im Gegensatz zur Geige hat der Flügel sehr viele Saiten. Man muss sich vorstellen, dass in einem Konzertflügel Zugkräfte von bis zu 17 Tonnen wirken. Bei der Ausbalancierung dieser Saitenanlage können wir heute zum Beispiel sehr genau mit Computergrafiken arbeiten. Das wirkt sich auf den gesamten Klangkörper aus. Es geht unter anderem darum, herauszufinden, ob sich das Instrument in einem großen Konzertsaal ebenso bewährt wie in einem kleineren Raum anlässlich eines Liederabends.

Im Falle unseres großen Konzertflügels 280 VC benötigten wir von den ersten Besprechungen im Entwicklungsteam bis zur Fertigstellung des Prototyps sechs Jahre. Mittlerweile ist er in Serie gegangen und 200-mal gebaut worden. Was der kostet? Circa 150.000 Euro.

Porsche & Audi

An einem Flügel arbeiten im Gegensatz zu Streichinstrumenten an die 70 Mitarbeiter, die je nach Modell ein Jahr beschäftigt sind. In so einem Instrument stecken weit mehr als 10.000 Einzelteile, die miteinander funktionieren müssen. Ich spreche von 250 Saiten, Hammerköpfen, Tasten, Stielen, den Lacken etc.

Designtechnisch ändert sich am Flügel wenig, wir haben zwar schon mit Porsche-Design, Audi-Design und anderen zusammengearbeitet, aber im Großen und Ganzen ist unsere Welt schon eine konservativ klassische, vor allem bei Konzertflügeln. Sir András Schiff hat sich allerdings gerade einen Flügel aus Pyramiden-Mahagoni bestellt. Dabei handelt es sich um ein Holz, das pyramidenartig gemasert ist. Das ist schon eher etwas Ungewöhnliches. Sondermodelle machen vielleicht 15 Prozent der verkauften Flügel aus. Ich glaube auch nicht, dass sich das ändern wird.

Ich selbst spiele auch Klavier, natürlich nicht auf professionellem Niveau, aber so gut, dass ich die Instrumente gut beurteilen kann. Also ich komm schon so gut wie täglich zum Spielen. Auch zu Hause in meiner Freizeit." (Michael Hausenblas, Rondo, 15.7.2019)