Die französische Sozialversicherung wird die Ausgaben für homöopathische Mittel nicht mehr rückerstatten.

Foto: Robert Newald

Die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn hat am Mittwoch in einem Zeitungsinterview bestätigt, dass die Sozialversicherung die Ausgaben für Homöopathika nicht mehr zurückerstatten wird. Die Maßnahme tritt am 1. Jänner 2021 in Kraft. Schon am 1. Jänner 2020 sinkt die Erstattung in einer Übergangsphase auf 15 Prozent. Heute beträgt sie 30 Prozent.

Zusammen mit den in Frankreich sehr verbreiteten Komplementärversicherungen beträgt die Rückerstattung für homöopathische Mittel derzeit durchschnittlich 38 Prozent. Auch diese Privatversicherungen dürften ihre Leistungen nun senken oder streichen.

Drei Viertel laut Umfrage für Beibehaltung

Buzyn erklärte, sie stütze sich bei ihrem Entscheid auf eine Empfehlung der Hohen Gesundheitsbehörde Frankreichs (HAS). Diese habe nach Auswertung von 800 Studien festgestellt, dass die Globuli "eine Wirksamkeit wie Placebos" hätten – also gleich null. Das sei zu wenig, um eine Rückerstattung zu rechtfertigen. Der letztlich von Präsident Emmanuel Macron gefällte Entscheid hatte in den letzten Tagen viel zu reden gegeben.

In einer Meinungsumfrage sprachen sich drei Viertel der Befragten für die Beibehaltung der Erstattung aus, darunter auch prominente Vertreter der Links- und Rechtsopposition. Homöopathie kommt in Frankreich breit zur Anwendung: 77 Prozent der Franzosen haben schon Globuli geschluckt; ein Gutteil der Apotheken im ganzen Land nennt sich "homöopathisch".

Für eine Polemik hatte auch Buzyn selbst gesorgt. Noch 2018 hatte sie erklärt, Kostenrückerstattung für Homöopathie könne vermeiden, dass Kranke vermehrt zu klassischen Medikamenten übergehen. Jetzt stellt die Gesundheitsministerin dieses Argument in Abrede: "Die beiden Verhalten haben nichts miteinander zu tun. Die Hauptkonsumenten von Homöopathie nehmen generell mehr Arzneimittel in Anspruch."

20.000 Ärzte mit Zusatzausbildung

Frankreich führt in Europa nicht nur beim Konsum, sondern auch bei der Herstellung homöopathischer Mittel mit einem Marktanteil von einem Drittel vor Deutschland mit 27 Prozent und Italien mit 13 Prozent. Der Weltmarktleader Boiron mit Sitz in Lyon kommt auf einen Umsatz von 600 Millionen Euro. Er zeigt sich von dem Entscheid "schockiert". Mehr als tausend Arbeitsplätze seien dadurch gefährdet. Buzyn gab zu bedenken, dass Boiron und andere Homöopathika-Hersteller wie Lehning oder Weleda 40 Prozent ihrer Produktion exportierten; wichtige Märkte wie Asien seien im Aufschwung.

Der Entscheid könnte über die homöopathische Industrie hinaus Folgen haben. Von den französischen Ärzten verfügen 20.000 über eine homöopathische Zusatzausbildung, dreimal so viele wie in Deutschland. Die medizinische Fakultät der Universität Lille hat ihr Homöopathie-Diplom kürzlich suspendiert. Das nationale Kollegium der französischen Allgemeinpraktiker hat Anfang Juli verlangt, dass Homöopathie in Frankreich nicht mehr an Universitäten gelehrt werde, sei sie doch "das Gegenteil eines wissenschaftlichen Ansatzes". (Stefan Brändle aus Paris, 10.7.2019)