Lukas Kranzlbinder hat mit seiner Formation Shake Stew einen Hit gelandet

Foto: Waldschütz

Natürlich fährt der Klangaffine wegen der Musik zum Festival Wellenklænge. Die malerischen Rahmenbedingungen, für die die Natur und die Seebühne verantwortlich zeichnen, wären allerdings auch ein zureichender Grund, Lunz am See aufzusuchen. Sofern das Wetter gütig bleibt, verschmelzen die musikalischen Ereignisse, die sich auf der Wasserplattform abspielen, die Konzertbühne wird, mit der Landschaft zu einem veritablen Gesamtkunstwerk.

Das Welterbe

Es wundert nicht: Worum Babylon lange Zeit kämpfte, nämlich die Anerkennung als Weltkulturerbe, hat die Region, in der das Festival stattfindet, längst erreicht: 2017 wurde das Wildnisgebiet Dürrenstein mit seinem Rothwald in der höchsten Schutzkategorie zum Unesco-Weltnaturerbe erhoben. Wer also dem Lärm der Großstadt entflieht, landet in einer besonderen Gegend.

Durchaus exquisit auch die Musik, die anreist: Nach der freitägigen Eröffnung durch das Love Tree Ensemble, das europäische Songs und Tänze aus der Vergessenheit hebt und zeitgemäß arrangiert, ist ein richtiger Durchstarter der letzten Jahre angesagt – die Formation Shake Stew (20. Juli). Der Kontrabassist Lukas Kranzl binder hat da eine Gruppe heller Jazzköpfe zusammengetrommelt und sie im Sinne der subtilen Vielschichtigkeit offene Kunstwerke umsetzen lassen, in denen Stilvielfalt und Spontaneität essenziell sind.

Mingus als Einfluss

Bandleader Kranzlbinder nennt Einflüsse: Da wären Marokko, Äthiopien und Mali. Da wären auch erdige, alte Bluesaufnahmen, denen eine gewisse Unmittelbarkeit zu eigen ist. Als Namen sind auch das Art Ensemble of Chicago oder der Bassist und Komponist Charles Mingus zu nennen. All diese Einflüsse würden bei Shake Stew hörbar werden.

Der Name der Band bezeichnet übrigens absichtlich nicht. Er soll vor allem gut klingen, die Assoziationen der Hörer allerdings nicht in eine bestimmte Richtung lenken. Das tut die Musik ebenfalls nicht: Sie ist ein vielschichtiges Gebilde, dessen immense Innenspannung nicht von strengen Formen herrührt – vielmehr von der Substanz und Konzentriertheit der einzelnen Musiker. Emotional sind die Stücke bewusst vieldeutig zwischen subtil-verinnerlicht und expressiv angelegt.

Aktiver Cellist

Nahe am Schluss des Festivals kommt mit dem Cellisten Ernst Reijseger ein Musiker zum Zug, auf dessen Arbeit Begriffe wie "Expressivität" und "Vielfalt" ebenfalls zutreffen. Mittlerweile ist der niederländische Veteran des freien Spiels, der theatralische Bühnengesten nicht scheut, auch als Komponist aktiv. Er schrieb für Barockorchester und das Ensemble Modern. Und Filmmusik verfasste er für Werner Herzogs The White Diamond und Die Höhle der vergessenen Träume. Bei diesen Aufnahmen war auch die Formation Cuncordu e Tenore de Orosei zugegen. Und sie ist auch hier präsent, an diesem Abend mit Reijseger. (Ljubiša Tošić, 10.7.2019)