Ideologisch im Clinch, sonst einander zugetan: Ellen Page, Kate Mara.

Foto: Kinostar Filmverleih

Was auf den ersten Blick nach einem charmant hippiesken Wohnmobilausflug aussieht, stellt sich bald als menschenrechtspolitischer Roadtrip heraus: Lucy tingelt schon seit vielen Jahren mit ihrer älteren Schwester und dem kleinen Bruder durch die Vereinigten Staaten, um gegen die Todesstrafe zu protestieren.

Aber diese hat auch Anhänger. Bevor sich die beiden Gruppen – "Stop the execution" fordern die Gegner, "Execution is the solution" antworten die Befürworter – vor einem Gefängniseingang gegenüberstehen, bezieht man auf demselben Campingplatz Quartier.

"Wie steht’s bei deinen Freunden der Gaskammer?", fragt Lucy schließlich die adrette blonde Frau aus dem erzkonservativen Lager, die sie schon vor dem Gefängnis mit Interesse beobachtet hat. Über die weltanschaulichen Differenzen hinweg entspinnt sich zwischen den Opponentinnen – Lucy mag die Indie-Rock-Band Sleater Kinney, Mercy arbeitet in einer Anwaltskanzlei und ist eher der Typ Perlenohrring – ein Flirt, der sich auf den folgenden Stationen der Exekutionstour zur Liebesgeschichte entwickelt.

Unwahrscheinliche Paarkonstellation

Hochgradig verkompliziert wird sie durch den dramatischen Umstand, dass Lucys Vater als verurteilter Mörder der Mutter selbst seiner Hinrichtung entgegensieht. Doch die Geschwister sind fest von seiner Unschuld überzeugt.

Die israelische Regisseurin Tali Shalom-Ezer mischt in ihrem amerikanischen Debüt "My Days of Mercy" lesbische Romanze, Roadmovie und Todesstrafendrama. Von der unwahrscheinlichen Paarkonstellation erholt sich der Film jedoch bis zuletzt nicht recht – da mag Ellen Pages Darstellung der Lucy noch so mitreißend sein

Dramaturgisch überzeugend ist hingegen die Idee, die verschiedenen Stationen bzw. Kapitel durch Top-Shots der jeweiligen Henkersmahlzeiten einzuleiten. Der Countdown endet mit Käsenudeln. (Esther Buss, 10.7.2019)