Als Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) war Wien Drehscheibe der Iran-Gespräche.

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Dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien ihren Sitz hat, ist der Grund dafür, dass ein Gutteil der Verhandlungen über den Atomdeal mit dem Iran ab 2013 in der österreichischen Hauptstadt stattfand und nun vom "Wiener Abkommen" gesprochen werden kann: So hatte man die Experten, denen heute Verifikation und Monitoring des 2015 abgeschlossenen Pakts obliegt, immer an der Hand. Seitdem bescheinigte die IAEA dem Iran stets die Einhaltung des sogenannten JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action), auftretende Probleme meist technischer Natur wurden bisher immer gelöst.

Das ist ab jetzt anders: Nachdem die IAEA vor zehn Tagen bekanntgegeben hat, dass Teheran die im JCPOA erlaubten Bestände von angereichertem Uran überschritten hat, bestätigte sie am Mittwoch auch den neuen Anreicherungsgrad: 4,5 Prozent. 3,67 dürfen es laut JCPOA sein. Der Unterschied ist technisch fast irrelevant, hat jedoch politische Sprengkraft. Deshalb trat am Mittwoch der Gouverneursrat der IAEA zu einer von den USA geforderten Sondersitzung zusammen. In ihrer Erklärung beschuldigten die USA Teheran der "versuchten Erpressung" und forderten die Einhaltung der Auflagen des JCPOA.

Kritik an Teheran

Zwar bleibt der Spott darüber nicht aus, dass die USA, die im Mai 2018 selbst den JCPOA verlassen haben und dessen Umsetzung behindern, wo es nur geht, nun auf dessen Erhalt bestehen. Aber auch die verbleibenden JCPOA-Partner (EU, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland, China) drängen den Iran, zu den Regeln zurückzukehren. Damit, dass der Gouverneursrat bereits konkrete Schritte ergreift, wurde jedoch nicht gerechnet, und das traf auch nicht ein. Aber wenn die Krise anhält, könnte er den Fall in der Zukunft wieder an den Uno-Sicherheitsrat überweisen.

Frankreich hat in den vergangenen Tagen in Teheran durch einen Entsandten, der einen Brief für Präsident Hassan Rohani überbrachte, sondiert, ob Bereitschaft zur Deeskalation vorhanden ist – aber das ginge nur im Tandem mit den USA und bleibt deshalb unwahrscheinlich. Präsident Emmanuel Macron schwebt vor, dass die USA einige Sanktionen zurücknehmen und im Gegenzug der Iran seine Provokationen wieder sein lässt. Stattdessen kündigte US-Präsident Donald Trump Verschärfungen an.

Der Iran legte in der IAEA dar, dass das qualitative und quantitative Hochfahren seines Anreicherungsprogramms als Reaktion auf die US-Schritte legitim und durch den JCPOA gedeckt sei. Der russische Botschafter bei der IAEA, Mikhail Ulyanov, hatte bereits im Vorfeld des Treffens am Mittwoch an die "freiwillige" Natur der Beschränkungen erinnert, die sich der Iran innerhalb des JCPOA auferlegen ließ. Und die eben fallen, wenn dieser nicht umgesetzt werden kann, was momentan zweifellos der Fall ist.

Mit der "Freiwilligkeit", die eine gesichtswahrende Formulierung für die Hardliner in Teheran war, kam für den Iran ein Sack voller Verpflichtungen, die die IAEA laut JCPOA zu überwachen hat. Neben dem Zurückfahren aller Parameter des Urananreicherungsprogramms ist das vor allem die Anwendung des "Additional Protocol" (AP) und des sogenannten modifizierten Codes 3.1. Beides sind Zusätze zum Safeguards-Abkommen, das die IAEA-Inspektionen von Atomanlagen eines Landes regelt. Das AP erlaubt der IAEA mehr Zugang zu Anlagen und zu Informationen, die ja gerade im atomaren Bereich eifersüchtig gehütet werden – nicht nur vom Iran. Und Code 3.1 verschärft die Meldepflichten, wenn ein Staat neue Anlagen zu bauen beabsichtigt.

150 Prozent mehr Kontrolle

Laut IAEA haben JCPOA plus AP zu einer 150-prozentigen Erhöhung der Inspektionstätigkeit im Iran geführt, 2017 etwa war die IAEA zusammengerechnet 3000 Tage im Iran tätig. Es gibt um 90 Prozent mehr Kameras, die Anlagen überwachen. Natürlich sind auch die Kosten explodiert.

Wie wichtig die Safeguards-Abteilung für die IAEA ist, zeigt die Tatsache, dass ihr Chef stets auch IAEA-Vizegeneraldirektor ist. Derzeit ist das der Italiener Massimo Aparo, der 2018 auf den Finnen Tero Varjoranta folgte, dessen Rücktritt 2018 mit dem Aussteigen der USA aus dem JCPOA in Zusammenhang gebracht wurde. Allerdings gibt es einen früheren Safeguards-Chef, den Finnen Olli Heinonen, der international Stimmung gegen den JCPOA macht.

Der IAEA wird von den Gegnern des Deals immer wieder vorgeworfen, dass sie zu schnell einen Schlussstrich unter verdächtige vergangene nukleare Aktivitäten des Iran zog: Wobei auch die US-Geheimdienste der Meinung sind, dass der Iran derzeit kein militärisches Atomprogramm hat. Den Partnerstaaten des JCPOA war 2015 am wichtigsten, für die mittelbare Zukunft sicherzustellen, dass der Iran von der Möglichkeit, eine Atombombe zu bauen, entfernt bleibt. Seitdem wurden die iranischen Bestände an angereichertem Uran fast aufgelöst, und die Zahl seiner Anreicherungszentrifugen wurde drastisch reduziert. (Gudrun Harrer, 10.7.2019)