Das klassische "Counter-Strike" – hier die letzte Version 1.6 – genießt bis heute Kultstatus in der Community.

Foto: Valve

Manche Genres sind untrennbar mit dem Namen verschiedener Spielehersteller verbunden. Die in den 1990ern entstandene Kategorie der Echtzeitstrategiespiele darf man etwa dem japanischen Studio Technosoft (Herzog Zwei), vor allem aber den Westwood Studios (Dune 2, Command & Conquer) und Blizzard (Warcraft, Starcraft) anrechnen. Das Studio id Software gilt wiederum als Wiege des Egoshooters (Wolfenstein, Doom, Quake), und kaum ein Unternehmen hat moderne Open-World-Rollenspiele so geprägt wie Bethesda (The Elder Scrolls). Und wer ist der Motor klassischer Aufbaustrategie "deutscher" Machart? Natürlich Ascaron (Patrizier), Sunflowers (Anno 1602) und Blue Byte (Die Siedler).

Es sind aber längst nicht immer etablierte Unternehmen, die nachhaltige Innovation in die Gameswelt einbringen. Immer wieder haben Spieler bestehende Games modifiziert und damit neue Erlebnisse geschaffen, die mitunter ganze Genres begründet haben. Alleine aus den letzten beiden Jahrzehnten gibt es prominente Beispiele:

Valve

"Counter-Strike": Taktische Team-Shooter

Am 19. Juni 1999, also vor fast genau 20 Jahren, veröffentlichte eine Gruppe enthusiastischer Spieler von Half-Life eine Modifikation für den Egoshooter von Valve. Counter-Strike schickte Elitepolizisten gegen Terroristen ins Rennen. Die "Bösen" mussten eine Bombe platzieren und zur Detonation bringen, die "Guten" selbiges unter Waffeneinsatz verhindern. Das Werk, das unter Führung von Minh Le "Gooseman" und Jess Cliffe entwickelt worden war, wurde schnell zum Hit in der damals entstehenden Community für Onlinegaming und kompetitives Spielen. Besonders auf LAN-Partys wurde Counter-Strike schnell populär.

Im Jahr 2000 kürten bereits zahlreiche Medien die Modifikation zu ihrem (Action-)Spiel des Jahres. Zu diesem Zeitpunkt hatte Valve schon einen guten Teil des Entwicklerteams angeworben und ließ das einstige Hobbyprojekt unter eigener Flagge weiterentwickeln. Der Rest ist Geschichte. Counter-Strike ist das Urgestein unter den Multiplayer-Taktikshootern und ein fundamental wichtiger Titel für das Aufblühen der E-Sports-Szene. Die aktuellste Version, Counter-Strike: Global Offensive, gehört immer noch zu den meistgespielten Games der Welt.

League of Legends

"Dota 2", "League of Legends": Mobas

In den späten 2000ern machte auch ein weiteres neues Genre schnell von sich reden: Multiplayer Online Battle Arenas – kurz: Mobas. Ihre bekanntesten Vertreter, damals wie heute, sind Dota 2 und League of Legends. Beide blicken auf die gleichen Wurzeln zurück. Diese liegen in Aeon of Strife, einer Modifikation für das Echtzeitstrategiegame Starcraft. Diese lässt den Spieler eine Heldeneinheit kontrollieren, die unterstützt von computergesteuerten Kämpfern den Kern der gegnerischen Basis zerstören muss.

Aus diesem Konzept erwuchs schließlich Defense of the Ancients (Dota), welches daraus ein Game für zwei Teams mit je fünf Spielern machte. Ursprünglich entwickelt von einem Spieler namens "Eul", machte die Mod dank zahlreicher freiwilliger Helfer bald den Sprung von Starcraft zum neu erschienenen Warcraft 3, wo es zu einem enorm populären Spielmodus wurde. Das sprach sich herum.

dota2

Riot Games rekrutierte mehrere der Entwickler und brachte 2009 League of Legends auf den Markt. Das Studio S2 Games übernahm den Großteil des Dota-Konzepts für Heroes of Newerth. Valve wiederum schnappte sich 2010 den damaligen Dota-Projektleiter "Icefrog" und lieferte 2013 schließlich Dota 2.

Blizzard zog 2015 mit Heroes of the Storm nach. Auch wenn die Popularität von Mobas zuletzt etwas gelitten hat, locken insbesondere große Turniere wie die League Worlds oder The International (Dota 2) immer noch ein Millionenpublikum vor die Livestreams.

DayZ

"DayZ": Multiplayer-Survival

Als vor einigen Jahren in der Populärkultur einmal mehr das Zombie-Fieber zu grassieren begann, spiegelte sich das auch schnell in Videospielen wider. Zu einem besonderen Hype brachte es dabei eine Mod für den Militärshooter Arma 2, das von Dean Hall entwickelte DayZ. Es versetzt den Spieler auf das fiktive Eiland Chernarus, auf dem die Zombieseuche grassiert. Dort kämpfen Spieler unter harschen Bedingungen ums blanke Überleben.

Gegner sind aber nicht nur die wandelnden Toten, sondern mitunter auch andere Mitspieler. Ein konkretes Spielziel gibt es abseits des Survivals nicht, es obliegt jedem Teilnehmer selbst, ob er mit anderen kooperiert oder sie über den Haufen schießt und sich an ihrem Hab und Gut bedient. Angereichert ist das Erlebnis mit allerlei realistischen Elementen, von Nahrungsaufnahme bis hin zu Krankheiten oder einschränkenden Verletzungsfolgen.

Facepunch Studios

Während man sich bei den Arma-Entwicklern darüber freute, dass die Mod die Verkaufszahlen des eigenen Games ankurbelte, erweiterte die Community das Game schließlich eigenständig um weitere Karten und verschiedene Varianten des Überlebenskampfes.

Schließlich wurde auch eine Standalone-Version von DayZ angekündigt. Während deren Entwicklung zu einer langjährigen Odyssee mit allerlei Rückschlägen und Pannen geriet, sprangen andere mit eigenen Titeln auf den Zug auf. Zu nennen wären etwa Sonys H1Z1 oder Rust, das zu Anfang ebenfalls noch Zombies dabeihatte, diese aber früh durch gefährliche Tiere ersetzte. Diese und zahlreiche andere Multiplayertitel mit ausgeprägten Survival-Elementen wären ohne den Hype um DayZ wohl so nie entstanden.

GameSpot

"PUBG": Battle Royale

In den vergangenen Jahren gab es kaum ein Vorbeikommen am Phänomen "Battle Royale". Dutzende bis hunderte Spieler starten auf einer Karte und kämpfen auf einem immer kleiner werdenden Spielbereich ums Überleben, bis es nur noch einen Sieger gibt. Auch dieses Genre, dessen Name sich an einen japanischen Film anlehnt, wurde als Modifikation für Arma geboren. Großen Einfluss dabei hatte der Entwickler Brendan Greene, auch bekannt als "Playerunknown".

Dessen Dienste sicherte sich zuerst Sony, als man H1Z1 um den Battle-Royale-Modus "King of the Kill" erweiterte, ehe er schließlich beim südkoreanischen Studio Bluehole (mittlerweile in Krafton umgetauft) landete, mit dem er eine Standalone-Version seiner Vision umsetzte. Diese erschien schließlich im März 2017 unter dem Titel Playerunknown's Battlegrounds (PUBG). In den folgenden Monaten erlebte das Game einen schier unglaublichen Zulauf. Im Jänner 2018, wenige Wochen nach Erscheinen der offiziellen Version 1.0, stellte das Game einen Rekord von über drei Millionen gleichzeitig aktiven Spielern auf. Bis heute ist es immer wieder das meistgespielte Game auf Steam.

Fortnite

Mit dem Erfolg von PUBG folgte eine regelrechte Flut an weiteren Games, die das Konzept aufgriffen. Selbst altehrwürdige Shooter-Reihen wie Battlefield und Call of Duty wurden um entsprechende Modi erweitert. Zum ganz großen Gewinner des Hypes wurde Epic, das mit seinem quietschbunten Free2Play-Game Fortnite in Sachen Spielerzahl selbst seine Vorlage weit überflügeln konnte und zu einem ganz eigenen kulturellen Phänomen wurde.

"Auto Chess", "Dota Underlords", "Teamfight Tactics"

Während der Run auf Battle-Royale-Games ins Stocken geraten ist – kein einziger neuer Titel dieser Machart wurde auf der vergangenen E3 präsentiert –, zieht gerade ein neues Phänomen aus der Feder von Fans seine Kreise: Autobattle-Games. Findige Entwickler hatten eine Modifikation für Dota 2 umgesetzt, in der Spieler sich rundenweise taktische Auseinandersetzungen liefern, bei denen sich von ihnen zusammengekaufte und aufgestellte Armeen automatisch ablaufende Schlachten liefern.

PC Gamer

Mit Auto Chess haben sie mittlerweile ein Standalone-Game auf den Markt gebracht, während Valve mit Dota Underlords eine "offizielle" Version des Games im Dota 2-Universum veröffentlicht hat, die bereits zu den populärsten Games auf Steam gehört. League of Legends-Hersteller Riot Games hat mit Teamfight Tactics nachgezogen. Auch andere Hersteller, beispielsweise Tencent mit Chess Rush, wittern Potenzial. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Wer das Genre kennenlernen möchte, dem sei ein Blick auf unseren Test von Auto Chess empfohlen.

Modding ist ein Muss!

All diese Phänomene zeigen eines: Spannende Spielkonzepte müssen längst nicht immer von etablierten Spielefirmen entwickelt werden. Immer wieder waren es clevere und ehrgeizige Enthusiasten, die mit ihren kreativen Ideen frischen Wind in die Spielewelt gebracht haben.

Das beweist auch, wie wichtig es ist, Spiele erweiterbar zu gestalten. Je umfangreicher die Werkzeuge sind, die Hersteller für Modding anbieten, desto mehr Menschen haben die Möglichkeit, ihre eigenen Konzepte umzusetzen. Und wer weiß, wann der nächste Fan wieder einen Geistesblitz hat und einen Spielmodus erschafft, der die Herzen anderer Gamer im Sturm erobert. (Georg Pichler, 14.7.2019)