"Game of Thrones" ist eines der Zugpferde für das Programm von HBO.

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Netflix und Amazon haben jahrelang vorgemacht, dass Streaming ein taugliches Geschäftsmodell für Unterhaltung mit Filmen und Serien ist. Die Angebote sorgten außerdem für sinkendes Interesse an Filmpiraterie. Der Erfolg der beiden (und anderer) Firmen bewegt zunehmend auc Branchengrößen aus Hollywood und den TV-Sektor zur Nachahmung.

Disney startet bald Disney+, CBS wirbt für sein All Access, auch NBC Universal arbeitet mittlerweile an einem eigenen Angebot. Warner und HBO ergänzen ihr bestehendes Angebot im kommenden Jahr um HBO Max. Die Auswahl wird also größer. Vielfalt ist für Kunden meistens eine gute Sache – wären da nicht die Exklusivtitel, die das Publikum zurück in die Hände der Piraten treiben könnten.

"Star Trek" da, "Spiderman" hier, "Batman" dort

Das Szenario, das droht, ist schwer zu navigierender und teurer Abo-Dschungel. Erste Anbieter haben bereits begonnen, ihre Produktionen von anderen Plattformen abzuziehen oder werden die Lizenzen nicht verlängern. Jüngst wurde etwa bekannt, dass die US-Kultserie "The Office" ab 2021 nicht mehr bei Netflix zu sehen sein wird, weil NBC sie als einen Exklusivtitel für seinen eigenen Dienst haben möchte.

Eine Reihe starker "Marken" könnte künftig in ihren jeweiligen "goldenen Käfig" gesperrt werden. Sie mögen "Stranger Things"? Dann führt an einem Netflix-Abo kein Weg vorbei. "Lucifer" begeistert Sie? Ab zu Amazon Prime Video. Sie lieben "Star Wars" oder das Marvel-Comic-Universum rund um "Spiderman", "Daredevil" und Co? Disney wartet schon auf Ihre Anmeldung! "Batman" oder "Jon Snow" sind eher Ihr Fall? Die finden Sie künftig vielleicht nur bei HBO Max! Zieht es Sie in die "unendlichen Weiten" der "Star Trek"-Serien? Dann nehmen Sie Kurs auf CBS All Access.

Dieses im Moment noch hypothetische Szenario könnte schon in wenigen Jahren Realität sein. Rechnet man im Schnitt mit rund zehn Euro im Monat pro Abonnement, dürfte es für vielseitig interessierte Cineasten richtig teuer werden. Zumindest, wenn sie ihre Lieblingsproduktionen legal konsumieren wollen.

Bittorrent-Trendwende

Dass die neuen Mitbewerber auf dem Streaming-Markt der fast besiegt geglaubten Piraterie wieder Aufwind bescheren, deutet sich schon länger an. Im Oktober veröffentlichte der IT-Infrastrukturspezialist Sandvine eine Analyse, die entsprechende Indizien liefert. 58 Prozent des globalen Traffics entfallen demnach mittlerweile auf Videoinhalte, allein Netflix kommt auf einen Anteil von 15 Prozent.

Die derzeit angesagt Serie "Killing Eve" ist nur gegen eine zusätzliche Gebühr auf Amazon zu sehen.
Foto: BBC/America

Nach Jahren des Rückgangs verzeichnet allerdings auch das Peer-to-Peer-Netzwerk Bittorrent, seit Jahren der bedeutendste Verbreitungsweg für illegale Kopien von Filmen und Serien, wieder Wachstum. Die Trendwende ist beachtlich, ging doch der Anteil mit dem Aufstieg von Netflix und Amazon Video kontinuierlich zurück.

Alle machen mit

Diesen Zusammenhang erkennt auch Sandvines Marketing-Vizechef Cam Cullen. Er schrieb, dass die zunehmende Streuung von Exklusivproduktionen sehr teuer für die Konsumenten werde, weswegen sie ein oder zwei Abos abschließen und sich den Rest ihrer Lieblingsinhalte eben per Filesharing beschaffen.

Diese Entwicklung wird sich wohl fortsetzen. Eine Untersuchung der Diffusion Group geht davon aus, dass bis 2022 jeder größere US-TV-Anbieter seine eigene Video-on-Demand-Plattform am Start haben wird. In den USA könnte dies insbesondere seit der De-facto-Abschaffung der Netzneutralität "besonders interessant" werden, heißt es weiter. So könnten Provider versuchen, eigene Plattformen zu bevorteilen, indem der Zugang zu anderen Streamingservices erschwert wird. Auch hier stellte man ein Comeback der Piraterie in Aussicht.

Es droht Abomüdigkeit

Im März berichtete "Variety" bereits, basierend auf einem Report des Unternehmensberatungsriesen Deloitte, dass bereits die Hälfte der US-Konsumenten genervt von der Flut an neuen Streaminganbietern sei, insbesondere wenn ihre bevorzugten Filme und Serien plötzlich nicht mehr bei ihrem Lieblingsdienst verfügbar sind. "Die Kunden wollen Auswahl – aber nur bis zu einem gewissen Punkt", erklärte Deloitte-Vizechef Kevin Westscott. Es drohe ein Zeitalter der "Abonnementmüdigkeit".

Gleichzeitig allerdings fehlt den Anbietern bislang offenbar ein Anreiz, um ihre Strategien zu ändern. In der gleichen Erhebung heißt es auch, dass die (üblicherweise als Exklusivtitel geführten) Eigenproduktionen der Streaminganbieter das wichtigste Zugpferd für den Gewinn neuer Abonnenten sind. (gpi,5.8.2019)