Der Choreograf Philipp Gehmacher lebt seit 16 Jahren im gleichen Haus in Wien-Alsergrund. Vor einigen Jahren zog er aber ein paar Stockwerke weiter hinauf. Die Nachbarn blieben die gleichen.

"Ich wohne seit 16 Jahren in diesem Haus. Als ich 2003 aus London zurückkehrte, habe ich mithilfe meines Bruders eine Wohnung im ersten Stock dieses Hauses gefunden. Ich habe mich schnell für die Wohnung entschieden, weil unten am Eck damals ein grantiger Altwarentandler eingemietet war, der seine Möbel immer draußen auf dem Gehsteig stehen hatte. Nach dem Leben in London, wo immer alles busy, busy war und viele Menschen auf der Straße unterwegs waren, hatte ich ein wenig Angst, dass in Wien nichts los ist. Darum gefiel mir dieses Geschäft im Erdgeschoß sehr gut.

Ausreichend Platz und Licht sind Philipp Gehmacher bei seinem Wohnen wichtig.
Foto: Lisi Specht

Mit der Zeit wurde mir und meinem Partner die Wohnung aber zu klein und zu dunkel. Irgendwann bin ich mit der Hausbesitzerin ins Gespräch gekommen. Sie hat gesagt, dass hier oben zwei kleine Wohnungen zusammengelegt werden und wir gerne heraufziehen könnten. Hier stehen uns nun 95 m² Wohnfläche zur Verfügung. Der größte Unterschied zu früher: Unten hat man das Fenster aufgemacht und die Leute vorbeigehen gesehen. Hier geht der Blick hinauf in den Himmel. Gott sei Dank gibt es gegenüber noch keine Dachausbauten.

Das Lustige ist: Meine Nachbarn, die schon im ersten Stock neben mir gewohnt haben, wohnen nun gegenüber von uns. Wir sind nur durch einen Lichtschacht getrennt. Es sind zwei Architekten mit Kindern, und wenn ich aus dem Bad komme, sehe ich direkt auf ihren Esstisch. Wir winken uns zu, wenn wir uns sehen. Ich habe so einen ganz anderen Lebensentwurf als diese Kleinfamilie, lebe aber trotzdem ein wenig mit ihnen mit. Wenn ich an meine Wohnung denke, denke ich sehr oft an sie.

Fotos: Lisi Specht

Unsere Einrichtung ist eine Mischung aus Dingen, die ich über die Jahre gekauft habe, gemischt mit Stücken aus Deutschland, weil mein Partner aus Berlin hergezogen ist. Unser Esstisch ist, glaube ich, aus der DDR. Jedes Teil hat seine Geschichte. Die Paneele an den Wänden stammen von einem ehemaligen Bühnenbild von mir. Ich hänge nicht so gerne etwas an die Wand, daher sind sie eine gute Lösung.

Diese Wohnung bedeutet mir viel. Sie ist eines der Dinge, bei denen ich das Gefühl habe: Das habe ich in meinem Leben geschafft. Ich habe kein Auto, mache keine großen Urlaube, ich habe kein großes Einkommen. Aber diese Wohnung zu haben, Platz zu haben, Licht zu haben, das war für mich wichtig.

Foto: Lisi Specht

Diese Wohnung ist wie ein Anker. Mein Lebensgefährte muss berufsbedingt viel reisen, und auch ich bin immer wieder unterwegs. Ich reise gerne, aber ich will es nicht als das Besondere in unserem Leben darstellen. Es ist mehr eine Necessity in der europäischen Tanzszene. Das viele Reisen ist für mich derzeit ein Thema, nicht nur aus ökologischen Gründen. Die Frage von Zuhause sein hat stets auch eine Spannung, die mich beschäftigt.

Ich habe immer noch das Gefühl, dass diese Wohnung ein gewisser Luxus ist. Ich konnte sie mit neuen Böden, neuen Installationen, neuen Fenstern und neuem Bad übernehmen. Und im Vergleich zu dem, was andere heute für ihr Wohnen zahlen, ist die Miete echt günstig für den neunten Bezirk.

Fotos: Lisi Specht

Aber die Wohnung kommt jetzt langsam in einem Zustand, in dem ich gern einiges verändern würde. Ich hätte zum Beispiel gern Bücherregale.

Manchmal gibt es schon Momente, in denen ich gern eine Wohnung besitzen würde. Es macht mir hin und wieder schon zu schaffen, dass das Wohnen immer teurer wird. 2003 war der Julius-Tandler-Platz noch das Ende der Welt für mich. Seither ist alles viel lebendiger geworden, viele Junge sind hergezogen. Mittlerweile gibt es in unserem Grätzel statt eines Zielpunkts einen Denn's und ein Fitnesscenter.

Der größte Nachteil an der Wohnung: Leider wird sie im Sommer sehr heiß. Nach zwei heißen Tagen hat es hier 29 Grad, auch wenn wir alles zumachen. Dann rennt man hier nur noch in Unterwäsche herum." (15.7.2019)