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"Stop and Search"-Durchsuchungen während des Notting Hill Carnival 2018. Die abgebildeten Personen haben sich nichts zuschulden kommen lassen, sie wurden von den Beamten lediglich deshalb durchsucht, weil sie ihnen "verdächtig" erschienen. Weil die Praxis des "Stop and Search" laut Studien oft rassistischen Kriterien folgt, steht sie in der Kritik. Sie wurde trotzdem zuletzt wieder ausgebaut.

Foto: Reuters / Herny Nicholls

London – Die britische Polizei setzt laut aktuellen Zahlen wieder vermehrt auf die umstrittene Polizeitaktik "Stop and Search". Das Vorgehen erlaubt Beamten, Menschen nach Gutdünken anzuhalten und zu filzen, wenn diese ihnen verdächtig erscheinen. Wird bei den Durchsuchungen Verbotenes gefunden, kann es zu Verhaftungen und Anzeigen kommen. Es soll nach den Wünschen der konservativen Regierung dabei helfen, den jüngsten Anstieg der Zahl von Messerattacken in Großbritannien zu bekämpfen.

Das Modell steht allerdings massiv in der Kritik. Studien zeigen, dass es in der Praxis nach rassistischen Kriterien angewandt wird: Schwarze Menschen sind wesentlich häufiger von den Durchsuchungen betroffen als weiße. Laut Zahlen des Innenministeriums ist die Wahrscheinlichkeit, angehalten zu werden, für sie 40-mal höher als für weiße Bürger.

Daher wird die Taktik für den Zusammenbruch der Vertrauens der schwarzen Communitys in die britische Polizei mitverantwortlich gemacht. Das führe auch dazu, dass die Polizei ihre Aufgabe, in mehrheitlich schwarzen Wohngegenden für Vertrauen und Sicherheit zu sorgen, nicht mehr ausreichend nachkommen könne und weniger Hinweise aus der Bevölkerung erhalte.

Innenminister unter Druck

Zudem gilt die Maßnahme als polizeilich nicht zielführend. Untersuchungen haben kaum kausale Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von "Stop and Search" und einem Rückgang der Kriminalität feststellen können.

Aus beiden Gründen war die Polizeitaktik in den vergangenen Jahren weitaus seltener angewandt worden. Die nunmehrige Premierministerin Theresa May hatte in ihrer Zeit als Innenministerin (2010–2016) zunehmend davon Abstand genommen. Ihre Nachfolgerinnen Amber Rudd (2016–2018) und Sajid Javid (seit 2018) standen und stehen jedoch wegen eines Anstiegs gewalttätiger Verbrechen unter Druck. Sie setzten wieder verstärkt auf "Stop and Seach". Während im Jahr 2017 178.318 Personen angehalten und durchsucht wurden, waren es 2018 214.240.

Mehr Polizeirechte statt mehr Polizisten

Boris Johnson, aktueller Favorit auf das britische Premiersamt, hat ebenso angekündigt, den Einsatz der Taktik ausweiten zu wollen. Er sei dafür, der Polizei "alle Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um jene hart zu bestrafen, die Messer tragen". Der Forderung der Labour-Opposition, statt einer Ausweitung von "Stop and Search" mehr Polizistinnen und Polizisten einzustellen, wollte er sich hingegen nicht anschließen. Er wolle zwar gerne mehr Beamte auf den Straßen sehen, könne aber keinen Plan anbieten, wie der Staat das finanzieren sollte, sagte er laut einem Bericht des "Guardian".

Allerdings setzen nicht nur Konservative auf "Stop and Search". Auch Londons sozialdemokratischer Bürgermeister Sadiq Khan unterstützt den Polizeiansatz in bestimmen Fällen. Im Wahlkampf 2016 hatte er noch angekündigt, die Methode seltener nutzen zu wollen. Auch er selbst war als Kind mehrfach Ziel von "Stop and Search" geworden, daher wisse er, dass man die Methode mit Augenmaß einsetzen müsse, sagte er damals. Erst im Jahr 2018 machte er eine Kehrtwende und kündigte einen Ausbau der Taktik an. Allerdings dürfe sie nicht nach dem Willkürprinzip oder nach rassistischen Kriterien, sondern nur bei konkretem Verdacht angewendet werden. (Manuel Escher, 12.7.2019)