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Medizinisches Personal und ein Ebola-Überlebender behandeln einen Patienten in einem Ebola-Zentrum in Beni in der Demokratischen Republik_Kongo.

Foto: REUTERS/Baz Ratner

Die Weltgesundheitsorganisation WHO zögert, die Ebola-Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo zu einem "globalen Notfall" zu erklären. Das hat eine Kontroverse um den richtigen Umgang mit dem kompliziertesten und zweitschlimmsten Ausbruch einer Ebola-Seuche in der Geschichte ausgelöst. Nach einem Besuch der betroffenen Region im Nordosten des Kongos forderte der britische Entwicklungsminister Rory Stewart die WHO auf, den globalen Notfall auszurufen – um auf diese Weise von der internationalen Staatengemeinschaft mehr finanzielle Mittel zu erhalten.

Der WHO fehlt nach eigenen Angaben derzeit mehr als die Hälfte der 98 Millionen US-Dollar, die die Gesundheitsorganisation als Budget für den Kampf gegen die Epidemie Anfang dieses Jahres gefordert hatte. Auch mehrere Chefs privater Hilfsorganisationen schlossen sich der Forderung des britischen Ministers an. Um die Seuche in den Griff bekommen zu können, sei wesentlich mehr internationale Hilfe nötig, sagte der Direktor der Hilfsorganisation Wellcome, Jeremy Farrer.

WHO verteidigt Entscheidung

Dagegen verteidigte WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus die Entscheidung seiner Behörde. Wenn die internationale Gemeinschaft erst dann Mittel lockermache, wenn "Angst und Panik" verbreitet würden, sei etwas "grundsätzlich falsch", sagte Ghebreyesus dem britischen Guardian: "Die Mittel sollten zur Verfügung gestellt werden, um einen globalen Notstand zu vermeiden, und nicht erst, wenn dieser ausgerufen wurde." Der äthiopische Arzt hält die Ausrufung eines internationalen Notstands derzeit sogar für kontraproduktiv: Die dadurch ausgelöste Schließung der Grenzen vergrößere die Not der lokalen Bevölkerung noch und schüre deren Skepsis gegenüber den Gesundheitsbehörden.

Dass die Epidemie auch ein Jahr nach ihrem Ausbruch nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, liegt nach Auffassung von Experten vor allem an der mangelnden Kooperation der einheimischen Bevölkerung, die teilweise nicht glaube, dass der Ebola-Virus tatsächlich existiere, oder der Überzeugung ist, dass ihn die kongolesische Regierung absichtlich verbreitete, um die Einwohner der Ituri- und der Nordkivu-Provinz zu dezimieren. In den beiden Landesteile herrschen schon seit Jahrzehnten gewalttätige Unruhen wegen Spannungen zwischen zahlreichen Rebellen- und verfeindeten Bevölkerungsgruppen.

Einig sind sich die Einheimischen nur in der Ablehnung der Regierung im fernen Kinshasa, der sie vorwerfen, die Region zur besseren Ausbeutung der Bodenschätze menschenleer machen zu wollen. Als Indiz für die Feind seligkeit der Regierung betrachtet die Bevölkerung auch die Verschiebung der Wahlen in den Epidemiegebieten Anfang dieses Jahres: Damit seien die Kritiker Kinshasas um ihre Stimme gebracht worden. Die WHO habe die Regierung von einer Verschiebung des Urnengangs dringend abgeraten, teilte Tedros Ghebreyesus jetzt mit: Dass sich Kinshasa davon nicht beirren ließ, sei ein entscheidender taktischer Fehler gewesen. "Die wütende Bevölkerung fing daraufhin an, die Helfer anzugreifen", sagte der WHO-Chef.

Fast 1600 Tote

Seit Januar zählte die WHO insgesamt 174 Überfälle auf Gesundheitseinrichtungen und Hilfskräfte, fünf Helfer kamen dabei ums Leben, darunter auch ein Arzt aus Kamerun. Nachdem sie zunächst einigermaßen unter Kontrolle gebracht worden war, flammte die Epidemie daraufhin wieder auf: Inzwischen wurden fast 2500 Menschen von dem Virus angesteckt, fast 1600 Personen starben. Kurzzeitig breitete sich die Seuche auch auf das Nachbarland Uganda aus: Nach drei Todesfällen scheint es allerdings, als hätten die dortigen Behörden die Seuche unter Kontrolle gebracht.

Die Wut der Bevölkerung richtet sich auch direkt gegen ausländische Hilfskräfte, denen sie vorwirft, sich an der Seuche zu bereichern. Die seit fast einem Jahr im Land tätigen Hilfskräfte hätten Unsummen an Geld ausgegeben, ohne dass sich tatsächlich etwas geändert habe, sagte Edouard Valumbira, Präsident eines lokalen Komitees zum Kampf gegen die Epidemie in der Provinzstadt Butembo der New York Times: "Die Menschen glauben inzwischen, dass die Seuche zu einem Geschäft geworden ist." (Johannes Dieterich, 12.7.2019)