Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nutzt Facebook auch nach dem Ibiza-Skandal häufig.

Foto: APA/HANS PUNZ

Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist auf Facebook schon mitten im Wahlkampf, obwohl er eigentlich gar nicht antritt. FPÖ-typische Themen wie "Asyltouristen", "neue Flüchtlingswellen" und "gewalttätige Migranten" durchziehen die Facebook-Seite des Altvizekanzlers so stark wie eh und je.

Nachdem sich Straches Facebook-Seite bis Anfang Juni sehr stark der Schadensbegrenzung des Ibiza-Skandals gewidmet hat, ist es nun, knapp zwei Monate nach seinem Rücktritt, wieder an der Zeit, die Wahlkampfgeschütze hochzufahren. Bemerkbar macht sich das an einer Zunahme an Beiträgen über Themen wie Asyl, Islamisierung und Gewalt.

Befasst man sich über einen längeren Zeitraum mit den Facebook-Postings Straches, lässt sich beobachten, wie stringent Zeitungsartikel zu aktuellen Geschehnissen verwendet werden, um die Agenda der FPÖ voranzutreiben. Tagesaktuelle Themen wie Seenotrettung, das neu beschlossene Rauchverbot und politischer Islam werden geschickt zu Wahlkampfwaffen umfunktioniert.

"Es geht wieder los"

Mit "Es geht wieder los" beginnt ein Posting Straches über die "neue Flüchtlingswelle". Seit die FPÖ nicht mehr in der Regierung ist, seien "Massen an illegalen Migranten aus Afrika" wieder unterwegs in "unser Österreich", schreibt der Ex-FPÖ Chef in seinem Beitrag. Unterlegt ist der Beitrag mit der Titelseite der Gratistageszeitung "Österreich", die die Balkanroute "löchrig" nennt und von "tausenden Flüchtlingen auf dem Weg in die EU" berichtet.

Foto: Facebook

Das Foto, das "Österreich" nutzt, wurde laut der Politikwissenschafterin Petra Bernhardt von der Universität Wien im April 2019 aufgenommen und zeigt demnach keine aktuellen Entwicklungen auf dem Balkan.

Postings wie diese unterscheiden sich maßgeblich von jenen während der türkis-blauen Regierungszeit. Während Straches Amtszeit als Vizekanzler handelte sein Facebook-Feed hauptsächlich von Regierungsarbeiten, privaten Veranstaltungen und erfolgreich umgesetzten Wahlversprechen der FPÖ.

Besonders ab Mitte Juni wird jedoch ein Paradigmenwechsel in Straches Erzählweise auf Facebook deutlich. Seit dem Ibiza-Skandal liegt der Fokus der Postings auf persönlichen Reaktionen zu tagesaktuellen Themen und Schlagzeilen. Strache verfolgt dabei eine Strategie, die sein Entsetzen über aktuelle Entwicklungen mit kampfansagenden Statements der FPÖ verbindet.

Salafistischer "Hassprediger"

Die Reaktion auf Schlagzeilen verläuft in mehreren Schritten – beim Thema "politischer Islam" etwa funktioniert der geplante Auftritt eines Salafisten in Wien als Initialzündung.

Bei den darauffolgenden Posting ist Straches Strategie deutlich erkennbar: Zuerst wird ein Bericht von "oe24.at" geteilt, der vom geplanten Auftritt des Salafisten Kuduzovć berichtet. Dabei nutzt die Plattform das Wort "Hassprediger". Strache nimmt dazu Stellung: "Radikale Islamisten haben in Österreich nichts verloren. Wir Freiheitlichen haben im Regierungsprogramm ein Verbot des politischen Islam verankert", heißt es im Posting. Der ehemalige Vizekanzler betont dabei, dass das besagte Verbot an "ÖVP-Kurz" gescheitert sei.

Foto: Facebook

Auf dieses Posting folgen prompt offizielle PR-Postings der FPÖ, die ihre offensive Einstellung zum Thema politischen Islam und den Tatendrang der Partei unterstreichen.

Das Zitat "Der Kampf gegen den politischen Islam ist nur mit einer starken FPÖ möglich" findet dabei einmal mit Strache im Foto und einmal mit FPÖ-Chef Norbert Hofer Verwendung – in beinahe identischer Ausführung. Zwei weitere Postings, in denen die FPÖ Salafisten den "Kampf" ansagt, wie Strache schreibt, werden in den darauf folgenden Tagen veröffentlicht.

Foto: Facebook

FPÖ-Wahlkampfthema Flüchtlingswelle

Zudem instrumentalisiert Strache vermehrt den medialen Wirbel rund um Sea-Watch-3-Kapitänin Carola Rackete. Seit die Seenotretterin unerlaubt im italienischen Hafen von Lampedusa angelegt hat, werden Themen wie Schlepperei und Flüchtlinge, die besonders den Wahlkampf 2017 prägten, wieder zum Leben erweckt.

Der Ex-FPÖ-Chef teilt dazu Meldungen unterschiedlichster Medien – von "oe24.at" bis zum ORF –, um seiner Meinung eine Bühne zu verschaffen. In seinen Postings verlinkt er auf Schlagzeilen von Medien wie "Österreich" und kommentiert diese. Beispielsweise macht er seinen Zuspruch für den italienischen Innenminister Matteo Salvini und den ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán öffentlich und erklärt Seenotrettung mittels Grafiken zur Schlepperei.

Foto: Facebook

Instrumentalisierung und Wut

Auch hier lässt sich Straches Strategie und Instrumentalisierung von Themen, die viel mediale Aufmerksamkeit erlangen, beobachten: Auf wütende Meinungsäußerungen und alarmierende Warnungen folgen wieder taktisch eingesetzte offizielle Bilder der FPÖ, die die Partei "stark", "einig" und "unschlagbar" zeigen.

Bemerkenswert sind dabei die Emoji-Reaktionen der Facebook-Nutzer: Während auf entrüstete Meldungen Straches viele "Angry"- und "Sad"-Reaktionen folgen, wird auf beruhigende und versichernde Folge-Postings überwiegend mit "Love" reagiert.

Nicht nur das Thema "Flüchtlingswelle" erlebt ein Comeback in Straches Feed. Ähnliche Themen und angebliche "Folgeprobleme" von Migranten finden immer öfter Platz auf der Facebook-Seite des Ex-FPÖ-Chefs. Begriffe wie "Asyltourismus" und "Bevölkerungsaustausch" fallen dabei häufig in seinen Beiträgen.

Foto: Facebook

"Gut, dass die FPÖ in der Regierung ist und wirkt"

Auch wenn es während der Regierungszeit Straches auf seiner Facebook-Seite ruhiger war, blieben Themen wie "Islamisierung" und gewalttätige Ausländer nicht ausgespart. Geändert hatten sich nur die Rhetorik und der Ton, den Strache verwendete, um besagte Themen anzusprechen. "Gott sei Dank haben wir die FPÖ in der Regierung", hieß es beispielsweise in einem Posting, welches das Thema Mehrehe ansprach. Negative Berichte wurden in dieser Zeit hauptsächlich verwendet, um das Tun, Schaffen und Wirken der FPÖ in der Regierung zu bestärken.

Verschwörungstheorien und Skandalisierung

Inzwischen tendiert der Ex-FPÖ-Chef in manchen Beiträgen dazu, Verschwörungstheorien zu verbreiten. So spricht er in einem Beitrag vom "tiefen Staat", in einem anderen fragt er sich, warum es keine Blutproben des verstorbenen FPÖ-Politikers Jörg Haider mehr gibt. Er sieht darin einen unfassbaren Skandal und verlangt, dass "das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt (…) untersucht" wird.

Wie hoch der Einfluss von Straches Facebook-Seite heute tatsächlich ist, ist schwierig zu ermitteln – die Nummer eins in dem sozialen Netzwerk ist er allerdings inzwischen nicht mehr. Seit Ende Mai wurde er von Altkanzler Kurz überholt. Aus Sicht von FPÖ-Chef Norbert Hofer sei Facebook jedenfalls "ohnedies völlig überschätzt", wie er Ende Juni gegenüber dem "Falter" erklärte. Die Interaktionsraten würden sinken, man werde "ohnedies eben andere Accounts aufbauen".

Interaktionen sinken

Foto: screenshot/crowdtangle

Ein Blick in das Analysetool Crowdtangle offenbart einen leichten Abwärtstrend. So waren die Interaktionen der Nutzer bei Postings des Ex-FPÖ-Chefs im Zeitraum Juli 2016 bis Juli 2017 insgesamt weitaus höher als zwischen 2017 und 2018 bzw. 2018 und 2019. Jedoch gab es immer wieder Hochphasen – etwa im Wahlkampf 2017. Im September und Oktober konnte Strache mehr als 700.000 Reaktionen generieren. Auch bei dem Aufkommen des Ibiza-Skandals stiegen die Interaktionen rasant an – waren es im April noch rund 280.000, erhöhte sich die Zahl im Mai auf 570.000.

Interner Streit um Inhaberschaft

Doch auch wenn es bergab geht und die Facebook-Präsenz aus Hofers Sicht nicht mehr so relevant ist: Straches Seite hat zumindest innerhalb der FPÖ nach dem Ibiza-Gate dennoch zu Streitigkeiten geführt. So betonte Strache öffentlich, dass es seine Seite sei und diese von ihm und Administratoren, die er ausgewählt habe, betreut wird. Aus Parteikreisen hieß es hingegen – auch gegenüber dem STANDARD –, dass die FPÖ weiterhin die Inhaberschaft behalte. Und hatte die Partei über die Facebook-Seite des FPÖ-Chefs zuvor noch zahlreiche Werbepostings geschaltet, ist dies seit Ibiza-Gate nicht mehr der Fall.

"Privat"-Profil mit rauem Ton

Neben seiner Seite nutzt Strache auch ein "privates" Profil – das Konto zählt rund 50.000 Follower –, welches er immer wieder nutzt, um sich öffentlich zu äußern. Dabei tendiert er, wie eine Betrachtung einer Auswahl von Postings offenbart, häufig dazu, Wortmeldungen in aggressivem Ton zu verfassen.

Kurz nach Ibiza nutzte er ihn immer wieder, um sich gegen Vorwürfe zu verteidigen. SPÖ-EU-Abgeordneten Andreas Schieder bezichtigte er etwa der Lüge, weil dieser geschrieben hatte, Strache wolle Österreichs Trinkwasser verkaufen. Für Aufsehen sorgte Strache zudem, als er den Ibiza-Skandal mit dem Autounfall des verstorbenen FPÖ-Politikers Jörg Haider verglich. Eine Nutzerin mutmaßte, dass ihn nun das gleiche Schicksal wie Haider ereile. Strache stimmte dem zu und schrieb: "Mein Vorteil war, es war kein Attentat mit Todesfolge!" (Tiana Hsu, Muzayen Al-Youssef, 14.7.2019)