Nicht nur Steampunk-Fans wird ein Blick in den Gezeitenrechner faszinieren.
Foto: DSM / Niels Hollmeier

Bremerhaven – Ein Schauerlebnis der besonderen Art hat das Deutsche Schifffahrtsmuseum (Leibniz-Institut für Maritime Geschichte) in Bremerhaven angekündigt: Von 15. bis 19. Juli wird dort ein altehrwürdiges Stück Technikgeschichte live restauriert werden – nämlich der erste deutsche Gezeitenrechner, der noch aus dem Jahr 1915 stammt.

"Einer der ersten deutschen Computer"

Bei dem Exponat handelt es sich um eine von insgesamt nur drei solcher Maschinen, die damals in Deutschland gebaut wurden. Weltweit gibt es weniger als dreißig stationäre Gezeitenrechner, und von denen sind nur wenige Exemplare öffentlich zugänglich. In Bremerhaven hingegen können Museumsbesucher Restaurator Tim Lücke bei der Arbeit über die Schulter schauen.

"Man kann die Gezeitenrechenmaschine von 1915 durchaus als einen der ersten deutschen Computer bezeichnen," sagt Martin Weiss, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum. "Sie arbeitet zwar analog-mechanisch und wurde nur für eine spezifische Aufgabe konstruiert, aber sie lässt sich programmieren."

Hintergrund

Das Wechselspiel von Ebbe und Flut genauer zu verstehen, wurde mit dem Aufkommen der Dampfschiffe im 19. Jahrhundert immer wichtiger. Auf die Idee, diese Arbeit von einer analogen Rechenmaschine, also gewissermaßen einem mechanischen Computer, erledigen zu lassen, kam zunächst der Engländer William Thomson, später bekannt als Lord Kelvin. Der erste Prototyp entstand im Jahr 1872.

Als auch in Deutschland der Wunsch nach Datenautarkie aufkam, war es dann so weit: Die gewünschte Maschine war 1915 betriebsfähig. "Leider sind keine Dokumente in Bezug auf die Technik bei der Konstruktion erhalten geblieben – die Maschine selbst jedoch ist vollständig intakt bewahrt," sagt Weiss.

Restaurator Tim Lücke bei der Arbeit.
Foto: DSM / Lea Heißenbüttel

Nachdem die Maschine in den 1930ern mit einem elektrischen Druckwerk ausgestattet worden war, gelangte sie im Zweiten Weltkrieg vermutlich nach Greifswald und von dort aus an das Deutsche Hydrographische Institut in Hamburg. 1975 wurde sie dem damals neu gegründeten Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven überlassen, wo sie seitdem in der Ausstellung zu sehen ist.

Sie soll wieder laufen

Für eine vollständige Restaurierung der Maschine werden alle Komponenten im Inneren gründlich gereinigt. "Wir erhoffen uns durch diese Reinigung neue Erkenntnisse zu Bau- und Funktionsweise der Maschine," sagt Weiss. "Das Ziel ist dabei, die Maschine wieder funktionstüchtig zu machen." (red, 12. 7. 2019)