Das Trikot des Führenden der Tour de France wird 100 Jahre alt.

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Die Gelbwesten sind – vorerst – Geschichte. In Frankreich regiert seit einer Woche wieder unumstritten das Gelbe Trikot. Es als Führender der Tour de France zu tragen, zumal am Nationalfeiertag, der am Sonntag begangen wird, ist der Traum aller französischen Radprofis.

Fünf Tage später wird das vom Sportbekleidungshersteller Le Coq Sportif körperbetont geschnittene Polyesterschmuckstück besonders gewichtig auf den Schultern eines Pedaleurs ruhen. Schließlich wurde am 19. Juli 1919, also vor dann 100 Jahren, erstmals ein Führender in Gelb gewandet. Eugène Christophe, einem der frühen Heroen der Tourgeschichte, soll das damals gar nicht recht gewesen sein. Der "alte Gallier" wollte im Fahrerfeld aus taktischen Gründen lieber nicht auffallen und fürchtete zudem, als Kanarienvogel verspottet zu werden.

Tourdirektor Henri Desgrange, der ihn das Trikot vor der Etappe von Grenoble nach Genf anziehen hieß, kümmerte das nicht. Der "Patron" der Großen Schleife, die er zwecks Auflagensteigerung seiner Sportzeitschrift "L'Auto" schon 1903 aus der Taufe gehoben hatte, wollte durch den Maillot Jaune gerade seinen Spitzenreiter für das Publikum gut sichtbar machen. Ins Treffen geführte Sicherheitsargumente wogen dabei nicht schwerer als die Tatsache, dass "L'Auto", die Vorgängerin der "L'Équipe", auf gelbem Papier gedruckt wurde. Anfang der 1930er verfuhr die "Gazzetta dello Sport" bei ihrem Giro d'Italia gleich und lancierte die Maglia Rosa, das Rosa Trikot.

Wirkmächtiger blieb das Gelbe Trikot, das im Laufe der Zeit in nicht wenigen Sportarten einer Führenden, einem Führenden zugemessen wurde. Bei der Tour de France erhält es der Spitzenreiter jeden Tag aufs Neue, die Trikots mit den Initialen HD für Henri Desgrange sind begehrte Sammlerstücke. Eddy Merckx, der fünfmalige Gesamtsieger aus Belgien, zog es 111-mal an und trug es über 96 Etappen. Insgesamt 269 Radprofis durften es bis Freitag ausführen, darunter mit Max Bulla ein Österreicher. 1931 gewann der Wiener die zweite Touretappe und trug den Maillot Jaune dann von Dinan nach Brest.

Eugène Christophe hat es kein Glück gebracht. Ein Gabelbruch während der vorletzten Etappe beendete 1919 die Siegeshoffnungen des Parisers. Firmin Lambot übernahm, er brachte das Gelbe Trikot als Erster nach Paris und siegte. Obwohl er auch 1922 die Tour gewann, ist der Belgier weitgehend vergessen. (Sigi Lützow, 12.7.2019)