Der Bedarf an Nachhilfe wächst. In Österreich nehmen sie 29 Prozent der Schüler in Anspruch. 2014 waren es erst 17 Prozent.

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Felix Ohswald mag das Wort Nachhilfe nicht. Es habe für ihn einen negativen Touch und erinnere an eine Krankenversicherung, sagt der Finanzmathematiker. "Ich finde Tutoring charmanter." Das binde nämlich auch all jene ein, die sich gern in Fächer vertiefen und den Sprung auf exzellente Unis schaffen wollen.

Er selbst schrieb sich im Alter von 14 Jahren neben der Schule an der Uni Wien für ein Mathematikstudium ein. Mit 19 hatte er neben der Matura den Bachelor in der Tasche, mit 20 seinen Master. Nach zwei Semestern an der Uni Cambridge gründete er ein Start-up.

Mittlerweile ist er 24, sammelte von mehreren Business-Angels 2,5 Millionen Euro ein und will nach einer weiteren Finanzierungsrunde von Wien aus international rasant expandieren. Sein Geschäftsmodell ist die Online-Nachhilfe.

Begabtenförderung

Viel Aufsehen um seine frühe Unikarriere macht Ohswald nicht. "Man muss nur dafür brennen. Ein Profischwimmer trainiert ja auch jeden Tag um sechs Uhr früh." Als Sprungbrett legt er jungen Gleichgesinnten das Zentrum für Begabtenförderung ans Herz.

Nicht unter den Scheffel stellt er jedoch sein Licht als Unternehmer: Er wolle den Bildungsmarkt gemeinsam mit seinen Partnern global verändern, Bildung demokratisieren und leistbar machen, sagt Ohswald. "Jeder Schüler soll zukünftig Zugang zu exzellenten Lehrern bekommen."

Go-Student-Gründer Felix Ohswald studierte mit 14 Mathematik, mit 21 wurde er Unternehmer.

Einen Weg dahin sieht er über seine App Go Student. Schüler können mit dieser aus 400 Tutoren wählen. Unterrichtet wird via Videochat im virtuellen Klassenzimmer. Der Hausaufgaben-Helfer ist kostenlos. Wer sich für ein individuelles Paket Nachhilfe entscheidet, zahlt rund 20 Euro pro Stunde. 1.500 Schüler sind bereits zahlende Kunden und buchen im Schnitt sieben Einheiten im Monat. 70 Prozent des Geschäfts finden in Deutschland statt. Go Student zufolge wächst es pro Monat um 20 Prozent.

Geldgeber wie Speedinvest und Econnext gingen an Bord. Bis Jahresende will Ohswald einen weiteren Investor für den Einstieg in Spanien gewinnen. Die Hälfte aller Schüler nehme dort Nachhilfe in Anspruch. Gelinge es ihm und seinen Leuten, auf dem spanischsprachigen Markt Fuß zu fassen, dann führe der nächste Schritt direkt nach Südamerika.

Neue Spielregeln

Auf 1,5 Milliarden Euro schätzt Ohswald die Ausgaben für Nachhilfe im deutschsprachigen Raum. 99 Prozent davon laufen derzeit noch offline. "Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen." Der Großteil des Geschäfts werde zudem inoffiziell abgewickelt und sei entsprechend intransparent.

Der Jungunternehmer ist davon überzeugt, dass der traditionelle Nachhilfemarkt stirbt und Onlineanbietern innerhalb der nächsten zehn Jahre mehr als die Hälfte des Volumens zufallen werde.

Unbestritten ist: Der Bedarf an Nachhilfe wächst. Heuer waren in Österreich 29 Prozent der Schüler darauf angewiesen, erhob das Ifes-Institut. Vor fünf Jahren bezifferten die Marktforscher diesen Anteil noch mit 17 Prozent. Experten warnen vor ausufernder Schattenbildung, die einen Keil durch die Gesellschaft treibt. So hingen gute Noten zunehmend vom Geldbeutel der Eltern ab: Wer es sich leisten kann, pusht Kids durch höhere Schulen. Kinder mit weniger familiärem Rückhalt fallen raus.

Digitalisierung der Schulen

Ohswald befürchtet keine Spaltung, rechnet jedoch mit erheblichen Veränderungen im Schulwesen. Der Job des Lehrers wird sich aus seiner Sicht auch stärker für jene öffnen, die nicht Lehramt studiert haben. Zusätzliche Lehrer würden per Livestream in die Klassenzimmer geholt, was China bereits vorlebe. Eine digitale Auswertung von Hausaufgaben erlaube es diesen, vermehrt als Coaches zu agieren. Dafür aber brauche es die Zusammenarbeit mit Technologiefirmen. Was der Sohn eines Bankers im Unterricht vermisst, ist Individualisierung: Wie in der Medizin solle künftig auch in der Schulbildung gezielter auf einzelne Bedürfnisse eingegangen werden.

Wachstum statt Profit

Sein eigenes Unternehmen vergleicht Ohswald im weitläufigen Sinn mit dem Vormarsch der Buchungsplattform Airbnb. Sie habe einen undurchsichtigen Schwarzmarkt rund um die private Unterkunftsvermietung quasi mit einem Schlag transparent gemacht. Für Go Student sieht er in seiner Branche ähnliches Potenzial. Wobei es nicht einfach sei, Kapital für Bildungsdienstleistungen aufzustellen, wie er einräumt. Noch habe es auf dem Markt international kaum ein Internet-Start-up geschafft, gewinnbringend um 100 Millionen Euro verkauft zu werden.

Bis Go Student schwarze Zahlen schreibt, wird es laut Ohswald noch einige Zeit dauern. "Wir investieren in Wachstum." Die eingeschlagene Richtung stimme, die Profitabilität stehe vorerst jedoch im Hintergrund. (Verena Kainrath, 15.7.2019)