Herbert Kickl wird immer mehr zur zentralen Figur des Wahlkampfs. Er war der eigentliche Grund für das Platzen der türkis-blauen Koalition, das Ibiza-Video war der Anlass. Und anders als Heinz-Christian Strache ist der ehemalige Innenminister in der Tagespolitik ständig präsent – mehr noch als alle Parteichefs.

Das ist kein Zufall. Kickl inszeniert sich als Speerspitze jener beinharten Antimigrations- und Sicherheitspolitik, mit der ÖVP und FPÖ die letzten Nationalratswahlen gewonnen haben. Der Konflikt mit Alexander Van der Bellen spielt ihm dabei in die Hände und wird von ihm weiter angeheizt. Er selbst macht seine politische Zukunft zur Schlüsselfrage dieses Wahljahres.

Für die meisten Wähler ist dies eine erschreckende Aussicht, weshalb sich die ÖVP verzweifelt um Distanz zum blauen Hardliner bemüht. Das zeigt der jüngste "Wurscht, auf welchem Sessel"-Sager von Wiens VP-Chef Gernot Blümel. Denn das mutmaßliche Mastermind der BVT-Affäre, der im Abschlussbericht des U-Ausschusses schwer belastet wurde, gefährdet die Wahlkampfstrategie von Sebastian Kurz. Diese zielt darauf ab, Stimmen von desillusionierten FPÖ-Wählern und aus der politischen Mitte zu gewinnen.

Populäre Regierung

Die ÖVP setzt deshalb verstärkt auf weiche Umwelt- und Sozialthemen – Pflegeversicherung, Wasserstoffautos oder Gentechnikfreiheit in der EU – statt auf Migration, hält sich aber die Option für eine neuerliche türkis-blaue Koalition offen. Kein Wunder, schließlich war die durch Ibiza geplatzte Regierung höchst populär. Doch es sind die sanften Töne von Parteichef Norbert Hofer, die mit der Kurz-Musik harmonieren, und nicht Kickls Gebell.

Je mehr aber Kickl sein eigenes Schicksal mit dem der Partei verbindet und sich in der Opferrolle suhlt, desto schwieriger wird die Gratwanderung für die ÖVP, desto größer der Druck, sich für den einen oder anderen Kurs zu entscheiden. Und je härter die Sprache zwischen den Ex-Koalitionspartnern, desto mehr wird Kurz mit der Frage konfrontiert, ob er nach der Wahl nicht doch ein Bündnis mit der SPÖ eingehen wird.

Keine Antwort

Das Wahlergebnis wird darauf kaum eine Antwort bieten; ob SPÖ oder FPÖ auf Platz zwei liegen, spielt für die Entscheidung keine Rolle. Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner dürfte sich einer solchen Regierungsbeteiligung nicht verweigern, wenn sie ihr Versprechen wahrmachen will, eine neue "Ibiza-Koalition" zu verhindern. Die Dreier-Koalition von ÖVP, Neos und Grünen, von der liberale Bürgerliche träumen, bleibt die unwahrscheinlichste Variante.

Aus all diesen Gründen wird Van der Bellen kaum in die Verlegenheit kommen, ein Veto gegen einen Innenminister Kickl einlegen zu müssen. Möglicherweise wird die FPÖ von sich aus auf ihn als Preis für eine neuerliche Machtbeteiligung verzichten. Aber auf dem Weg dorthin bleibt Kickl eine blaue Wunderwaffe, die Wähler mobilisiert und in Koalitionsgesprächen als Druckmittel dient. Auch diese Rolle dürfte dem leidenschaftlichen Strategen gefallen. (Eric Frey, 14.7.2019)