Die Spuren der geplatzten Immobilienblase in Spanien sind noch nicht beseitigt, da kündigen sich bereits die nächsten Bauspekulationen an.

Foto: AFP

Und sie spielen wieder Monopoly. Als hätte es die Spekulationsblase und die Wirtschaftskrise nie gegeben, soll jetzt auch die letzte noch naturbelassene Küste im Süden Spaniens mit riesigen Resorts und Hotels verbaut werden. Playa de Los Lances heißt der Strand bei Tarifa, der ganz oben auf der Liste steht. Auf knapp 62 Hektar Land sollen 824 Wohnungen und 1678 Hotelbetten entstehen. Es ist eines von fünf Großprojekten, die auf 357 Hektar realisiert werden sollen.

"All das ist in unmittelbarer Nähe des Naturparks Meerenge von Gibraltar und des interkontinentalen Unesco-Biosphärenreservats geplant, die die Küste auf beiden Seiten der Meerenge unter Schutz stellen", beschwert sich Javier Gil, Sprecher der lokalen Umweltschutzorganisation Agaden. In Tarifa ist die Küste noch so, wie sie einst war.

Unberührte Natur

Pinienwälder reichen bis an den Strand. Eine Dünenlandschaft mit vielen kleinen Bächen bietet Zugvögeln letzte Rastplätze auf ihrem Weg nach Afrika. Fischotter leben im Schilf. Steter Wind und hohe Wellen bieten Wellenreitern und Kitesurfern aus aller Welt optimale Bedingungen. Taucher gehen auf die Suche nach zum Teil jahrhundertealten Schiffen, die bei der schwierigen Einfahrt vom Atlantik ins Mittelmeer untergegangen sind.

2,6 Millionen Besucher jährlich verbucht die Provinz Cádiz, zu der Tarifa gehört. Eine Million sind ausländische Gäste, davon ist jeder Dritte aus Deutschland und jeder Zehnte aus Großbritannien.

Ein erstes Projekt haben die Umweltschützer vorerst gestoppt. Das Strandresort in Valdevaqueros, unweit von Los Lances, ist ein Fall fürs Gericht. "Bis zum endgültigen Urteil besteht ein Baustopp", sagt Gil. Doch nicht nur das Umland des Naturparks ist bedroht.

Alte Bebauungspläne

Der berühmte spanische Koch Dani García, der einen Michelin-Stern sein Eigen nennen darf, hat es geschafft, im Park selbst ein Restaurant mit Surfschule und einem Parkplatz für 400 Fahrzeuge zu errichten. Er bekam die Genehmigung, weil das Restaurant aus Holz ist und jederzeit abgebaut werden könne, ohne Spuren zu hinterlassen, lautete die Begründung für die Genehmigung.

Die erneute Bauspekulation betrifft nicht nur Tarifa, sondern auch den Rest der Küste in der Provinz Cádiz, so etwa in Chiclana, wo sechs Hektar Pinienhain an der Küste 206 Ferienhäusern weichen sollen. "Wir sind auf einen Schlag wieder da, wo wir vor der Krise aufgehört haben", beschwert sich auch Juan Clavero, Spezialist für Städtebau beim spanischen Umweltverband Ecologistas en Acción, zu dem auch Gils Agaden gehört. Die Bebauungspläne stammen aus dem Jahr 1990 und wurden damals noch ohne die heutigen Umweltkriterien gemacht. "Die Klassifizierung als Bauland würde nie zurückgenommen."

Schutz außer Kraft gesetzt

Eigentlich sollten die Küste und das Hinterland geschützt sein. Doch der entsprechende Plan der andalusischen Regierung aus dem Jahr 2015 wurde dank der Klage von Lokalpolitikern der Küstengemeinde Barbate per Gerichtsbeschluss außer Kraft gesetzt und muss daher überarbeitet werden. Doch mittlerweile regieren in der andalusischen Hauptstadt Sevilla nicht mehr die Sozialisten, die den Küstenschutz verabschiedet haben, sondern eine Minderheitsregierung aus konservativem Partido Popular und den rechtsliberalen Ciudadanos, die von der rechtsextremen Vox unterstützt wird, hat das Sagen.

"Sie haben es nicht eilig, einen neuen Plan zum Schutz der Küste vorzulegen", erklärt Agaden-Sprecher Gil. "Sie wollen einen neuen Bauboom, denn das bringe – so argumentieren sie – Arbeitsplätze", sagt Gil. Für den Umweltschützer ist dies wirtschaftlich der falsche Weg. "Die Urlauber kommen zum Großteil, weil sie naturbelassene Strände wollen. Sollten die Resorts gebaut werden, würde dieser Tourismus ausbleiben", ist er sich sicher.

Nachteile für die Region

Anders als beim Massentourismus verdiene am aktuellen Tourismus kein Großkonzern, sondern der regionale Handel und die Gastronomie. "Wenn wir das Grün der Pinien und das Gelb des Strandes durch das Rot der Backsteine ersetzen, ziehen die Touristen weiter in die Türkei oder nach Tunesien. Deutschen und Briten ist es egal, wohin sie den Flieger nehmen", warnt Gil. (Rainer Wandler aus Madrid, 15.7.2019)