Magersucht geht mit einem stark erhöhten Sterberisiko einher.

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Menschen, die unter Magersucht (Anorexia nervosa) leiden, weigern sich, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen, meist aus Angst davor, zuzunehmen. Durch diese Unterversorgung des Körpers ist Anorexie mit einer sehr hohen Sterblichkeitsrate assoziiert. Die Ursache der Magersucht wurde ursprünglich einzig in der Psyche der Betroffenen vermutet. Diese Annahme gerät jedoch immer mehr ins Wanken.

Magersucht ist keine rein psychische Erkrankung, daran sind auch Veränderungen in Stoffwechselgenen beteiligt, wurde in einer Studie, an der auch Forscher der Med-Uni Wien mitgearbeitet haben, herausgefunden. Wenn man dies in der Therapie berücksichtigt, könne man die bisher eher mäßigen Erfolge im Kampf gegen die Krankheit vielleicht in Zukunft verbessern. Die Studie erschien nun in der Fachzeitschrift "Nature Genetics".

Suche im Erbgut

Ein Team um Cynthia Bulik von der University of North Carolina verglich das Erbgut von 17.000 Magersucht-Patienten mit dem von 55.500 nichtbetroffenen Personen. Dabei konnte gezeigt werden, dass einige Gene bei Patienten mit Anorexie anders waren als bei Nichtbetroffenen.

Anorexia nervosa tritt durchschnittlich bei bis zu vier Prozent der Frauen auf. Männer sind deutlich seltener betroffen (0,3 Prozent). Trotz der hohen Sterblichkeitsrate bei Erkrankten seien die Behandlungserfolge "inakzeptabel dürftig", schreiben die Forscher.

Bei Personen, die unter Magersucht litten, konnten Unterschiede in jenen Genen festgestellt werden, die für die Ess-Motivation zuständig sind und bei der Belohnung nach der Nahrungsaufnahme aktiv werden. Zusätzlich unterschieden sich Gene, die im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel eine Rolle spielen.

Veränderte Sicht

Demnach müsse man umdenken und die Anorexia nervosa sowohl als psychiatrische als auch als Stoffwechsel-Erkrankung ansehen und entsprechend behandeln, erklären die Studienautoren. Bisher habe man den niedrigen Body-Mass-Index (BMI) bei den betroffenen Personen rein als Folge psychischer Symptome angesehen.

"Durch diese Sichtweise wurde verhindert, dass Interventionen entwickelt werden, die verlässlich zu einer anhaltenden Gewichtszunahme und psychologischen Genesung führen", schreiben die Forscher. Offensichtlich würden grundlegende Stoffwechsel-Fehlsteuerungen zu den Problemen der Patienten beitragen, einen gesunden BMI aufrechtzuerhalten, selbst wenn sie sich in therapeutischer Behandlung befanden.

Verschiedene Einflussfaktoren

Auch ein zu geringes Körpergewicht in jungen Lebensjahren könnte einen Einfluss auf die Entstehung der Essstörung haben. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie, die bereits im Jänner publiziert wurde und an der Bulik ebenfalls mitwirkte.

Den Studienautoren zufolge könnte ein zu niedriger BMI im Kindesalter einen Risikofaktor für das Auftreten einer späteren Anorexie darstellen. Durch die Überwachung der Gewichtsentwicklung der Kinder könnte sich somit möglicherweise festlegen lassen, wer zur Risikogruppe für eine solche Essstörung gehört. Durch dieses "Frühwarnsystem" könnte den Kindern und Jugendlichen schneller geholfen werden.

Bereits in dieser Studie wiesen die Autoren darauf hin, dass bei der Entstehung der Anorexie möglicherweise nicht nur psychische und soziokulturelle, sondern auch genetische, speziell metabolische Faktoren eine Rolle spielen könnten. Die Ergebnisse dieser Studien lassen darauf hoffen, dass es künftig wirkungsvollere Behandlungsstrategien für Betroffene geben wird. (red, APA, 15.7.2019)