Es gibt bessere und schlechtere Songs auf Ed Sheerans neuem Album "No. 6 Collaborations Project". Die besseren singen meist Sheerans Gäste.

APA / EXPA / Johann Groder

Sie können sich Ed Sheerans neues Album No. 6 Collaborations Project anhören. Sie können aber auch einen Bankmitarbeiter bitten, einige Scheine in einen Notenzähler zu legen, diesen zählen zu lassen und den Vorgang so oft zu wiederholen, bis 49:56 Minuten vergangen sind. So lang dauert Sheerans neues Album, auf dem man ihm und seinen Gästen 15 Songs lang beim Geldscheffeln zuhören kann. Was Sheeran tut, verkauft sich mittlerweile unabhängig von seiner Qualität.

No. 6 Collaborations Project ist eine Sammlung von musikalisch völlig uninteressanten und lustlos produzierten Singles, die man der Einfachheit halber auch Ed Sheerans viertes Studioalbum nennen kann. Es folgt auf + (2011), x (2014) und ÷ (2017) und ist als Nachfolgewerk zu seiner EP No. 5 Collaborations Project zu verstehen, auf der er 2011 mit Grime-Rappern aus der gemeinsamen Heimat zusammengearbeitet hat.

Ed Sheeran

Das war noch bevor der 1991 in Halifax geborene Singer-Songwriter weltberühmt wurde. Seine kurzen, einfach gestrickten (Liebes-)Lieder voller authentischer Banalität eroberten Pop im Sturm, weniger wurde mehr, ein Normalo-Sein das neue aufregend. Dazu ließ Sheeran uns immer wieder wissen, dass er "eine Gabe" habe. Das heißt, er kann eigentlich gar nichts dafür, dass dieser Schmonzes nur so aus ihm heraustrieft. Man will ja nicht den Verdacht aufkommen lassen, dass die besungenen Gemeinplätze nur Kalkulation nach Schema F sind.

Ed Sheeran

Vor diesem Hintergrund gibt es bessere und schlechtere Sheeran-Songs. Die besseren singen oftmals andere Leute. Love Yourself zum Beispiel, das Sheeran an Justin Bieber abtrat. Shape of You war eigentlich für Rihanna vorgesehen, Sheeran machte es sich dann selbst – gute Entscheidung. Shape of You war der erste Song, der die Zwei-Milliarden-Streams-Marke auf Spotify überschritt, wird einer der erfolgreichsten Songs der Dekade bleiben und läutete für Sheeran auch einen Imagewechsel ein: weniger Gefühle, mehr Sex. Gitarre in den Hintergrund, Beat – egal ob in Form von Hip-Hop-, R-'n'-B- oder gar Dancehall-Anleihen – in den Vordergrund.

Alles, was im Trend liegt

All diese Genres und noch viele mehr kommen auch auf dem No. 6 Collaborations Project dran, ob sie wollen oder nicht. Was im Trend liegt, findet sich dort völlig belanglos und beliebig nacheinander angeordnet. Latin Pop auf South of the Border mit Camila Cabello und Cardi B, Grime auf Take me Back to London mit Rapper Stormzy. Auch Sheeran übt sich im Sprechgesang – zum Beispiel auf Remember the Name, das Eminem und 50 Cent nach langer Zeit wieder auf einem Track vereint: 3:27 Minuten reines Fremdschämen. Am Ende gibt einem die zwischen Lenny Kravitz und Audioslave angesiedelte "Rocknummer" namens BLOW den Rest.

Ed Sheeran

Dabei hätte es wirklich nicht so schlecht sein müssen. Landsmann Mark Ronson zeigt mit seinem aktuellen Album Late Night Feelings, das nach ähnlichem Schema funktioniert (ausschließlich Gastsängerinnen, zwei davon auch auf Sheerans Album), dass auch Mainstreampop liebevoll gemacht und ein bisserl interessant sein kann. Natürlich stellt sich für Sheeran, der sicherlich in der Lage zu etwas Besserem ist, die Frage wozu – wenn doch uninteressant so viel erfolgreicher ist. (Amira Ben Saoud, 15.7.2019)