Lukas Kinigadner ist Mitgründer von Anyline.

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Eine Seriennummer wird abgelesen.

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Ein Führerschein wird abgelesen.

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Ein technisches Problem kann Leute frustrieren – oder zur Start-up-Gründung bewegen. Lukas Kinigadner und seine drei Freunde Daniel Albertini, Jakob Hofer und David Dengg wählten 2013 letzteren Weg. Damals sollten die Agenturmitarbeiter eine App entwickeln, mit der Diabetes-Patienten ihre Blutzuckerwerte nicht mehr mühsam vom Messgerät abschreiben oder abtippen müssen, sondern per Smartphone abscannen können sollten.

Obwohl Drucker und Scanner diese OCR-Technik (Optical Character-Recognition, also Texterkennung) schon jahrelang einsetzten, war es jedoch schwierig, diese auf Smartphones umzusetzen. Jede Handykamera sei anders, sagt Kinigadner. Lichteinfall und Kratzer auf dem Display erschweren die Aufgabe. Nach neun Monaten meldete das Quartett den ersten Prototyp beim Patentamt an und gründete Anyline.

Polizei bis Reifen

Heute hat das Unternehmen rund 50 Mitarbeiter. Die vier Gründer halten die Mehrheit, den Rest teilen sich sieben Investoren, unter anderem Business-Angel Hansi Hansmann und die Gernot-Langes-Swarovski-Stiftung. Der "siebenstellige" Lizenz-Umsatz wurde zuletzt jährlich verdreifacht. Über 200 weltweite Kunden haben die Technik in ihre Anwendungen implementiert. So scannt etwa die Polizei Nummerntafeln oder der Energiedienstleister Stromzähler.

Künstliche Intelligenz (KI) ermögliche eine Genauigkeit von 99 Prozent. Mittels Maschinenlernen wird sie mit Trainingsdaten "ausgebildet": Sie wird mit Bildern gefüttert und lernt daraus, wie Text aussieht. Mittlerweile erkennt sie schwarze Schrift auf schwarzem Hintergrund, etwa die Tire Identification Number auf Autoreifen. "Dafür hätte der Algorithmus, den wir früher verwendet haben, bis zu 30 Operatoren benötigt, die dann aber wenig flexibel sind. Die KI lernt besser und schneller." Einsatzgebiete werden so ständig erweitert.

Rückschlag und Ziele

Es ging aber nicht immer nur voran. "2016 haben wir gemerkt: Ein tolles Produkt reicht nicht. Man muss auch am Markt erfolgreich sein." 30 Prozent des Teams mussten gehen. Anfangs sei man über zwei Kunden glücklich, irgendwann müssten es aber 40 sein. "Wir sind erwachsen geworden", sagt Kinigadner. "Durch diese Phase muss jedes Start-up durch. Wer's nicht schafft, wird keinen Erfolg haben." Anyline holte im Change-Prozess auch erfahrene Manager von IBM, Canon und ING ins junge Team.

Ende des Jahres steigt die vierte Finanzierungsrunde. Mehr Mitarbeiter und ein Büro in den USA sind geplant. "Der mobile OCR-Markt hat noch keinen Marktführer", sagt Kinigadner: "Wir wollen dieser werden." Vom Hauptstandort Wien aus – obwohl viele Leute gesagt hätten, das ginge nur in der IT-Hochburg Silicon Valley. "Wir wollen jungen Menschen zeigen, dass das geht. Die Digitalisierung ist die größte Chance der Menschheitsgeschichte. Ein Teil dieser Welt soll auch in Österreich geschaffen werden." (Andreas Gstaltmeyr, 2.9.2019)