Nur 15 Prozent Professorinnen – das will die Technische Universität Eindhoven mit einem radikalen Frauenförderprogramm ändern.
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Die Technische Universität Eindhoven geht einen radikalen Schritt, um mehr Frauen als bisher für sich zu gewinnen. Die Universität will in den kommenden fünf Jahren alle unbefristeten Stellen zunächst nur für Frauen ausschreiben. Mit dieser Maßnahme reagiert man auf die niedrige Frauenquote: Die Uni hat mit 15 Prozent Professorinnen den niedrigsten Frauenanteil in den Niederlanden. Mithilfe des seit 1. Juli geltenden Programms will die Uni innerhalb von fünf Jahren bei den assoziierten und ordentlichen Professuren einen Frauenanteil von 35 Prozent erreichen, bei den Assistenzprofessuren 50 Prozent – derzeit sind es 29 Prozent.

"Wir legen die Bewerbungen von Frauen ganz oben auf den Stapel": So beschreibt Rektor Frank Baaijens gegenüber dem Fachjournal "Nature" die Maßnahme. Die Stellen sollen also nicht generell für Männer gesperrt werden, sondern für sechs Monate. Findet sich in diesem halben Jahr keine für die Stelle geeignete Wissenschafterin, werden auch Bewerber berücksichtigt. In die letzte Runde muss es aber in jedem Fall eine Frau schaffen.

Destruktiv statt konstruktiv?

Zehn Jahre hat sich die Uni um einen höheren Frauenanteil bemüht. Und es war Baaijens, der schließlich die Frage nach "drastischeren Maßnahmen" stellte. Evangelia Demerouti, zuständig für Diversität an der Technischen Universität Eindhoven, beantwortete diese mit dem nun vieldiskutierten Frauenförderprogramm. Die positiven Reaktionen würden überwiegen, auch wenn die negativen etwas lauter seien, erzählt die Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie der "Süddeutschen Zeitung". Sie muss oft und immer wieder dieses neue Förderprogramm erklären – und rechtfertigen.

Der Psychologe und Anthropologe Samrad Ghane warnt in "Nature" etwa vor destruktiven Konsequenzen: Frauen, die aufgrund dieser Universitätspolitik eingestellt werden, stünden unter großem Druck; dass sie sich beweisen müssen, dass sie diese Position wirklich verdient haben. Das könnte laut Ghane zu Spannungen zwischen den neu eingestellten Wissenschafterinnen führen. Den Vorwurf, die von nun an eingestellten Forscherinnen wären weniger dem Wettbewerb ausgesetzt, widerspricht Baaijens. Es werde nur eingestellt, wer die erforderlichen Kriterien erfüllt. Man suche nach wie vor nur "herausragende WissenschafterInnen" – und man wolle auch Ausnahmen für herausragende männliche Bewerber prüfen. Dem Programm wird auch Diskriminierung von Männern vorgeworfen. Nach EU-Recht dürfen allerdings unterrepräsentierte Gruppen bevorzugt eingestellt werden.

Sanftere Mittel ausgeschöpft

Die Uni hat es in den Jahren davor auch mit anderen, sanfteren Mitteln versucht: Ausschüsse suchten aktiv nach weiblichen Mitgliedern, und das wissenschaftliche Personal wurde darin geschult, implizite geschlechtsspezifische Verzerrungen zu erkennen, etwa die unbewusste Tendenz, männliche Bewerber als überlegen zu betrachten.

Zusätzlich zu dem halbjährlichen Vorsprung für Frauen bei Ausschreibungen bekommen die eingestellten Frauen nun auch das Irène-Curie-Stipendium, das ihnen einen Mentor zur Seite stellt sowie 100.000 Euro für ihre Forschung zuschießt.

150 neue Stellen

18 Monate wird das Programm nun laufen, bis es evaluiert wird – und womöglich die Anforderungen für bestimmte Disziplinen reduziert werden. Derzeit ist nur ein Viertel der 12.000 Studierenden der TU weiblich. Demerouti sieht allerdings auch Potenzial bei Frauen in technischen Berufen außerhalb der Uni, die eine Hochschulkarriere bisher für sich nicht in Betracht gezogen hätten.

An der Technischen Universität Eindhoven geht man davon aus, dass in den kommenden fünf Jahren aufgrund von Pensionierungen und der aktuellen Studierendenzahl mehr als 150 Stellen freiwerden. (red, 16.7.2019)