München – Für den Münchner Lichtkonzern Osram ist überraschend ein zweiter Kaufinteressent aufgetaucht. Der österreichische Chipkonzern AMS, der an der Börse weniger wert ist als Osram, erwäge ein höheres Angebot als das der Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle, teilte Osram am Montagabend mit. Das Unternehmen aus Premstätten bei Graz könnte 38,50 Euro je Aktie bieten; insgesamt 4,2 Milliarden Euro. Bain und Carlyle haben 35 Euro je Aktie in Aussicht gestellt.

AMS dürfte sich vor allem für die Opto-Halbleiter-Sparte von Osram interessieren, die wie die Österreicher die Autoindustrie beliefert. Der Osram-Vorstand um Olaf Berlien will AMS zwar in die Bücher schauen lassen, gibt sich aber skeptisch, ob sich die Österreicher den Zukauf leisten könnten. Trotzdem schoss die Osram-Aktie im Späthandel um fünf Prozent auf 34,80 Euro nach oben.

"Der Vorstand der Osram Licht AG erachtet auf der Grundlage der derzeit verfügbaren Informationen die Transaktionswahrscheinlichkeit als sehr gering", hieß es in der Mitteilung. Es gebe nur eine unverbindliche Absichtserklärung, die am Mittwoch eingegangen sei. AMS habe bisher keine Belege beigebracht, dass die Finanzierung gesichert sei.

Blick in Bücher

Der mögliche Bieter war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Ein Sprecher von Bain und Carlyle wollte sich nicht äußern.

Vor einer Offerte wollen die Österreicher einen tiefen Blick in die Bücher von Osram werfen (Due Diligence), wie die frühere Siemens-Tochter erklärte. Das werde der Osram-Vorstand AMS auch zugestehen. Finanzieren wolle AMS die Übernahme vorübergehend mit Bankkrediten, später sei eine Kapitalerhöhung geplant, die 1,7 Milliarden Franken (1,5 Milliarden Euro) einbringen soll. Das wären rund 50 Prozent des Börsenwertes von 3,06 Milliarden Euro. AMS-Aktien schlossen am Montag an der Börse in Zürich bei 41,36 Franken. Osram betonte, man werde vor einem Gegenangebot darauf drängen, dass die Österreicher vergleichbare schriftliche Zusagen machten wie die Investoren Bain und Carlyle.

Reuters hatte bereits vor zehn Tagen über das Interesse der Österreicher berichtet. Unabhängig davon, ob es zu einem Gegenangebot wirklich kommt, könnte der Vorstoß von AMS die Übernahme durch die Finanzinvestoren empfindlich stören. Sie haben zur Bedingung gemacht, dass sie mindestens 70 Prozent der Osram-Aktionäre auf ihre Seite ziehen. Ihre Offerte wird derzeit von der BaFin geprüft, deren Zustimmung in den nächsten Tagen zu erwarten ist. Dann haben die Osram-Aktionäre einige Wochen Zeit, ihre Aktien an Bain und Carlyle zu verkaufen – oder doch auf eine höhere Offerte von AMS zu setzen. Die Buchprüfung durch AMS dürfte über weite Strecken parallel zur Angebotsfrist laufen.

Vor fünf Jahren hatte AMS mit dem schwäbisch-britischen Chip-Entwickler Dialog Semiconductor fusionieren wollen. Doch das Vorhaben scheiterte. (APA, 15.7.2019)