Humor ist nicht etwas, was einem als erstes in den Sinn kommt, wenn man an Stadtplanung oder Architektur denkt. Sehr oft ging es auch schief, wenn Architektur versuchte, besonders witzig zu sein. Das Karikatur-Museum des großartigen Zeichners Gustav Peichl etwa geriet mit seinen Zipfelmützen schnell zu einer Karikatur seiner selbst. Manchmal gibt es aber auch unfreiwillig komische Architektur, etwa, wenn Häuser Gesichter bekommen, ein bewachsenes Dach zur Frisur wird, Fenster Augen werden und eine geöffnete Tür einem die Zunge rausstreckt. Ätsch!

Nur Zahnärzte lachen weniger als Architekten

Stadtplanung ist ernst, schließlich geht es um große Investitionen und um die Hoffnung auf gutes Wohnen und Leben all jener, die in neue Stadtviertel einziehen. Aber warum darf es nicht auch ein wenig lustig sein dort? Soll uns das Lachen vergehen anhand von Vollwärmeschutz und (neuerdings auch in Wien) Plastikfenstern? Ich plädiere für eine Lachyoga-Ausbildung für Architekten. Wussten Sie, dass Architekten zu jener Berufsgruppe gehören, die am seltensten lacht? Nur Zahnärzte lachen weniger. Die Schweizer haben es herausgefunden. Da gibt es nun eine Initiative "Architekten lachen". Man lernt, eigene Projekte nicht so ernst zu nehmen. Anstatt sich über falsch verlegte Fliesen zu ärgern, lacht der Architekt auf der Baustelle befreit. Fenster falsch eingebaut? Säule schief? Ha!

Die Postmoderne hatte noch Humor

Die Postmoderne war die letzte Architekturströmung, in der Architekten Sinn für Humor zeigten. Viel zu dicke Säulen, sinnlose Pilaster, ein Portikus, wo er nicht hingehört und Kurven, viele Kurven. Da war es noch lustig in der Architektur, weder gab es Stilvorschriften (die Fassade muss glatt sein, das Dach flach, die Säule schlank) noch allzu hohen ökonomischen Druck. Dass in diesem Zusammenhang auch viel schiefgegangen ist, versteht sich von selbst. Insbesondere der Wohnbau litt unter Fassaden-Versatzstücken, allzu verspielten Fenstern und lustig runden Balkönchen. Nichts davon machte das Wohnen essentiell besser, den öffentlichen Raum kommunikativer oder das Leben in der Stadt sozial verträglicher. Zudem altert die Postmoderne schlecht, die Patina geschwungener Putzfassaden ist nicht gerade anregend und der falsche Marmor umso weniger. Aber zum Lachen hatte man allemal.

Keine Schrägen, keine Rundungen

Stadtplanung ist ernst und neue Stadtvierteln sind es umso mehr. Das stellte ich fest, anlässlich eines Spaziergangs durch das neue Sonnwendviertel beim Wiener Hauptbahnhof. Noch ist der Helmut-Zilk-Park fast leer, die Sonne brennt gnadenlos auf das Park-Café und die Baumaschinen dröhnen. Man bemüht sich sehr, die Sockelzonen zu bespielen und mittels der wenigen Mittel, die angesichts Baukosten zur Verfügung stehen, Fassaden zu beleben. Überall dort, wo dies nicht vordergründig erfolgt (Farbe), sondern aus einer kleinteiligen Struktur heraus, gelingt die Auflockerung durchaus. An anderen Stellen gelingt dies weniger. Vor allem jedoch fragte ich mich, warum das alles so ernst sein muss? Keine Schrägen, kaum noch Erker, kein Material, das irgendwie aus der Reihe tanzt, keine ungehörigen Formen, keine Rundung, kein Turm. Aus der Reihe tanzen nur noch die Balkone. Nur haben Farben und Balkone wenig mit einem neuen Wohnkonzept zu tun. Da stechen wiederum einige Bauten heraus, Baugruppen- und Quartiershäuser etwa, denen man auch von außen ansieht, dass die Inhalte anders sind.

Baugruppen- und Quartiershäuser sieht man das inhaltliche Engagement an!
Foto: Sabine Pollak
Die Bäume werden wachsen, dann wird es besser.
Foto: Sabine Pollak

Ein wenig mehr Lockerheit

Städtebau ist eine schwierige Disziplin und ich habe Hochachtung vor all denen, die versuchen, neuen Stadtvierteln Leben einzuhauchen. Vieles wird besser sein, wenn die Bäume gewachsen und die Baustellen beendet sind. Dann wird die Leere gefüllt und das Leben dort wunderbar sein. Es gibt jedoch eine Stelle im neuen Viertel, die regt tatsächlich zum Lachen an. Am nordwestlichen Ende des Helmut-Zilk-Parks hat die Künstlerin Maruša Sagadin ein KÖR- Projekt (Kunst im öffentlichen Raum) verwirklicht, über das man unweigerlich laut lachen muss. B-Girls, Go!, so der Name, lädt speziell weibliche Jugendliche ein, eine überdachte Plattform zu benutzen. B-Girls spricht auf so genannte B-Boys an, männliche junge Hip-Hop-Tänzer, die meist charakteristische Mützen tragen. B-Girls, Go! zeigt eine riesige rosa Baseball-Kappe und darunter eine violette Plattform. Ok, es waren grad keine Mädchen dort, aber egal. Wie immer die Skulptur tatsächlich benutzt wird, Form und Farben regen wohltuend zum Lachen an. Also, meine Herren und Damen des Architekturgeschäfts, ein wenig mehr Lockerheit täte gut. Und Lachen hat noch niemandem geschadet. (Sabine Pollak, 25.7.2019)

Kunst beweist mehr Humor als Architektur.
Foto: Sabine Pollak

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