Hier lacht der Bregenzer Clown: Er ist Rigoletto, der seine Tochter Gilda in einem Heißluftballon aufsteigen lässt.

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Interessierte dürfen sich Philipp Stölzl als zufriedenen Zeitgenossen vorstellen. Gelingt die Seepremiere von "Rigoletto", wird sein Gemütszustand nur noch um einen Hauch der Erleichterung bereichert werden können. Sie würzt sein umfassendes Gefühl, in Bregenz eine tolle Zeit verbracht zu haben. "Es war schön, draußen sein und auch bei dieser Hitze mal in den See springen zu können. Das macht glücklich und gesund!"

Auch wenn es so klingen mag: Die entspannte Haltung ist nicht die eines fürs Nichtstun bezahlten Regieurlaubers. Stölzl ist eher der wohlorganisierte Künstler, der von Oper nicht lassen will, obwohl er einen signifikanten Teil seiner Zeit dem Filmgenre widmet. Stichwort "Nordwand" oder "Goethe!" und auch "Der Medicus".

Clown kann Ausdruck

Es brauchte für den "Rigoletto" auf der Seebühne tatsächlich "aberwitzig viel Vorbereitung", so Stölzl. "Wir haben an dem Projekt drei Jahre lang getüftelt." Mit den Bregenzer Kollegen, "die den Anspruch haben, Weltklasse zu produzieren, war das eine Riesenreise. Was wir gebaut haben, ist ja auch ein Prototyp, etwas Vergleichbares gibt es kaum." Gemeint ist der Clown mit dem Ballon in der Riesenhand: Er "vermag nicht nur physisch einiges, er kann auch Ausdruck" und ist denn auch der Titelfigur wie aus dem Gesicht geschnitten.

"Es ist Rigoletto ins Monumentale vergrößert. Der Clown macht den Downfall der Figur mit. Auch dem Clown geht es immer schlechter, er verliert Augen, Zähne und Nase und mutiert immer mehr zum Totenkopf. Zudem ist er so etwas wie ein menschenfressender Baal."

Kein Stehtheater

Dass vom monumentalen Spaßmacher gleich auch die ganze Personenführung mitverspeist wird, soll nicht passieren. "Es darf kein Stehtheater stattfinden, ich habe immer so einen Horror davor: Der Sänger singt vorne, hinein jedoch findet etwas ganz anderes statt. Wie langweilig!" Das riesige Marionettenspiel "muss extrem viel Bezug zu dem aufweisen, was mit den Figuren passiert."

Feinstes psychologisches Spiel könne man sich allerdings sparen. "Das, was die Opernfigur erzählt, muss in die ganze Gestalt gepackt werden, es braucht seitens der Sänger ein sehr körperliches Spiel, in Bregenz sind die Dimensionen ja fußballstadionhaft." Verdi sei da hilfreich. Er schreibe extrovertierte Musik, die "von null auf hundert springt. Verdi geht bei Liebe, Leid und Schauer ohne Umschweife in die Vollen."

In Oper gestolpert

Stölzl weiß mittlerweile aus Erfahrung, wovon er redet. Der Sohn des christdemokratischen Politikers Christoph Stölzl ist in die Oper einst ja nur so "so hineingestolpert", hat in Meinigen einen "Freischütz" inszeniert. Zwar hatte er eine Ausbildung als Bühnenbildner, es kreuzte jedoch das Musikvideo seien Weg. Für Rammstein produzierte er "Du Hast" und etablierte sich als Regisseur, den Madonna wegen "American Pie" anrief. Auch den Titelsong zum Bond-Film "Die Welt ist nicht genug" visualisierte Stölzl. Wobei: Was so gut klingt, sei für seine Hinwendung zu Oper und Film nicht nur hilfreich gewesen. "Da gab es schon Vorurteile."

"Salome" und "Turandot"

Der Salzburger Intendant Jürgen Flimm hatte 2007 keine. Er hängte Stölzl gleich Hector Berlioz' "Benvenuto Cellini" um. "Das war schon gewagt", erinnert sich Stölzl. Ihm, der doch noch am Anfang war, ein schweres und "nicht besonders tolles Werk zu geben" sei von Flimm tollkühn gewesen. Die ambivalente Erfahrung hat nicht abgeschreckt: Stölzl wird nicht nur das Musical "Ich war noch niemals in New York" verfilmen und Stefan Zweigs "Schachnovelle". Er wird eine "Salome" in Baden Baden inszenieren und in Berlin "Turandot" mit Anna Netrebko, die man sich in Bregenz bei den speziellen Bedingungen nicht vorstellen kann.

Die Bregenzer Stimmkünstler (es gibt für "Rigoletto" drei Besetzungen) sind ja mitunter Artisten, Bergsteiger oder wetterfeste Zehnkämpfer. "Ja, sie müssen furchtlos und schwindelfrei sein und dabei auch noch schön singen", so Stölzl. "Das muss man schon wollen, aber sie haben Lust dazu und wissen, worauf sie sich einlassen. Die Vorstellungen finden ja auch bei Regen statt."

Wie King Kong

Besonders hoch hinaus muss Rigolettos Tochter Gilda: "Der Clown, ihr sogenannter Vater, hütet sie wie ein Goldstück, wie ein Vögelchen. Er hält sie auch gefangen, was in einer quasi King-Kong-haften Art festgehalten wird." Gilda entschwebt mit dem Heißluftballon auch gen Himmel, erhebt sich über den Bodensee, "falls der Wind es zulässt", sagt Stölzl, der selbst für die ungünstige Wetterlage einen Plan B hat. Schließlich inszeniert bei den Bregenzer Festspielen die Natur mit. Sind eben was Besonderes, diese Spiele an Bodensee, in den Stölzl zwischendurch springt. "Es ist Zirkus und Spektakel", zugleich aber auch Naturspiel, aber bitte "mit Kunstanspruch!". (Ljubiša Tošic, 17.7.2019)