"Normalerweise nur wenige freie Sitzplätze".

Google Maps/Screenshot

Die Anzeigen werden auch grafisch untermauert. Je mehr der vier Personen ausgefüllt sind, desto kuschliger wird's in der U-Bahn.

Google Maps/Screenshot

Wer’s eilig hat und sich schon einmal bei 35 Grad Celsius in eine volle U-Bahn quetschten musste, der hat unter Umständen ein traumatisches Erlebnis hinter sich. Gegen den Schweißgeruch hilft auch kein künstlicher Geruchsstoff, den die Wiener Linien diesen Sommer in vier bedufteten U-Bahn-Zügen der U1 und U6 versprühen. Am liebsten wäre vielen Leuten, gar nicht erst in diese volle U-Bahn hineinzumüssen.

Seit Anfang Juli soll dies Google Maps ermöglichen. Ein neues Service des Online-Kartendienstes prognostiziert basierend auf Nutzerangaben, wie voll U-Bahn, Zug oder Bus sein werden. Von "Normalerweise nur Stehplätze" bis "Normalerweise viele freie Sitzplätze" ist alles möglich. Die Anzeigen werden zudem grafisch untermauert. Je mehr der vier eingeblendeten Maxerln ausgefüllt sind, desto kuschliger wird's in der U-Bahn.

Aber wie zuverlässig und nützlich erweist sich dieser Dienst in der Praxis? Der STANDARD hat diese Funktion ein paar Mal im Alltag getestet.

Wenig zuverlässig

Das größte Problem wird schnell augenscheinlich. Der Service deckt noch viel zu wenige Verbindungen und Uhrzeiten ab. Man hat Mühe, die sogenannten "Crowdedness predictions" überhaupt zu finden.

Abbildung 1
Screenshot/Google Maps

Fährt man um 13:13 Uhr mit der 31er-Straßenbahn von Floridsdorf zum Schottenring, scheint eine Prognose auf (Abbildung 1). Dreieinhalb Stunden später, um 16:44 Uhr, kann das wieder ganz anders ausschauen: Auf derselben Route mit Startpunkt Station Großjedlersdorf spuckt das Service diesmal keine Vorhersage aus (Abbildung 2). Auch der Ausflug von Simmering zum Stephansplatz und weiter Richtung Leopoldau bringt kein Glück.

Abbildung 2
Foto: Screenshot/Google Maps

Eine Frage der Daten

Die Informationslücken sind einfach erklärt: Es liegen noch nicht genügend Daten vor, um jede Wiener Verbindung jederzeit abzudecken. Offiziell basieren die Prognosen "auf Bewertungen von anderen Nutzern auf Google Maps". Sie wurden also nach ihren Fahrten befragt, wie sie das Steh-/Sitzplatz-Verhältnis einschätzten. Aus diesen Trends der Vergangenheit ergibt sich dann die Vorhersage. Wo noch zu wenige oder keine Bewertungen abgegeben wurden, gibt's noch keine Prognose.

Auf Anfrage will der Suchmaschinen-Gigant nicht verraten, wie viele Bewertungen für die aktuellen Prognosen in Wien herangezogen werden. Klar ist jedoch: Je mehr Bewertungen vorliegen, desto aussagekräftiger und zuverlässiger werden die Prognosen.

Abbildung 3
Screenshot/Google Maps

Aktuell scheint es mehr Glückssache zu sein, ob für die geplante eigene Fahrt eine Vorhersage zur Verfügung steht oder nicht. Das beweist auch ein weiteres Beispiel: Fährt man mit der U6 von Floridsdorf nach Spittelau, scheint die Anzeige auf (Abbildung 3). Steigt man dann in die U4 Richtung Landstraße um, wird man aber enttäuscht (Abbildung 4).

Abbildung 4
Screenshot/Google Maps

Durchaus zuverlässig

Die Prognosen an sich sind durchaus brauchbar. "Normalerweise viele freie Sitzplätze" in der U6 hat zumindest zum Testzeitpunkt ebenfalls zugetroffen wie "Normalerweise nur wenige freie Sitzplätze" im 31er. Google setzt dafür auf eigene "User Experience Studien", bei denen Testpersonen herumfahren, um die Qualität der Vorhersagen zu überprüfen.

Das US-Unternehmen vergleicht die Funktion mit den "Stoßzeiten" in Google Maps. Diese geben etwa bei Gasthäusern an, "wann sie mit hoher Wahrscheinlichkeit überfüllt sind". Aber auch hier gilt: Nicht immer sind die Wartezeiten-Prognosen zuverlässig. Ein deutscher Wirt hat deswegen sogar Google verklagt.

Praktikabilität offen

Fraglich ist noch, wie praktikabel der Öffi-Dienst für den Durchschnittsbürger ist. Ob dieser zu den Hauptverkehrszeiten extra auf Google Maps geht, um sich zu versichern, dass die Öffis um 8 Uhr in der Früh bzw. zur Rush Hour um 17 Uhr eher gefüllter sind, ist fraglich. Aber genau zu diesen Zeiten liegen verständlicherweise aktuell die meisten Zahlen vor.

Fazit: Aufgrund der mangelnden Datendichte hält sich der Service-Nutzen momentan noch in Grenzen. Wirklich interessant wird er erst, wenn er die Wiener Öffis verlässlich abdeckt. Und dann wird der Dienst wohl auch nur ein "Nice to have"-Beiwagerl bleiben und nicht aktiv angesteuert werden. Für letzteren Weg müsste das Trauma vom Schweißgeruch schon sehr tief sitzen. (ag, 17.7.2019)