Trotz schlechter Umfragewerte und schwerer Differenzen im Parlamentsklub will er es noch einmal wissen: Peter Pilz in der Rolle als sein eigener politischer Nachlassverwalter.

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Peter Pilz fand unter seinen eigenen Abgeordneten keine drei Leute, die ihm noch genügend Wohlwollen und Vertrauen entgegenbringen, um das neuerliche Antreten der Liste Jetzt für die Nationalratswahl mit einer Unterschrift zu unterstützen. So war Pilz neben seiner eigenen Unterschrift und der von Daniela Holzinger, die wie er noch einmal kandidiert, auf die Unterschrift des wilden Abgeordneten Efgani Dönmez angewiesen. Dönmez war ehemals Bundesrat der Grünen, kandidierte dann auf der Liste von Sebastian Kurz, ehe er wegen frauenfeindlicher Aussagen aus dem ÖVP-Klub ausgeschlossen wurde. Dönmez diente sich danach der FPÖ an und lobte Herbert Kickl als Innenminister, ehe er nun Pilz und sein Team als "Garant für echte Kontrolle im Parlament" erkannt hat.

Nicht unterschrieben haben die Klubobleute Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl sowie Anwalt Alfred Noll und Stephanie Cox. Die drei Männer hatten gemeinsam argumentiert, dass sie einer Liste, die sie gar nicht kennen, keine Blankounterschrift geben wollten. Dass alle drei auf Pilz nicht so gut zu sprechen sind, kann angenommen werden, auch wenn es keiner offiziell so sagen will. Die Abgeordnete Stephanie Cox brauchte Pilz erst gar nicht zu fragen, da ist das Verhältnis schon zerrüttet. Alma Zadic, auf die Pilz besonders große Stücke hielt, hatte mittlerweile angekündigt, für die Grünen zu kandidieren. Und sie hat bei diesen auch einen wählbaren Listenplatz erhalten. Martha Bißmann ist ohnedies schon aus dem Pilz-Klub ausgeschieden und wilde Abgeordnete. Dass die fehlende Unterschrift schließlich von Dönmez kam, hat das Verhältnis der übrigen Abgeordneten zu Pilz im Nachhinein dann auch nicht entspannt. "Mit Dönmez im selben Unterstützungsboot werde ich seekrank", erklärt Noll.

One-Man-Show

Was sind denn nun die Vorwürfe der Abgeordneten gegen Pilz? Ein Egomane sei er, das ist nicht unbedingt neu. Manche Kollegen waren aber offenbar vom Ausmaß dieser Egomanie überrascht. Pilz habe aus dem Parlamentsklub eine One-Man-Show gemacht, in der praktisch keine Aufmerksamkeit für die Arbeit der anderen Abgeordneten blieb. Hier kommt auch der Vorwurf an die Medien: Diese hätten die Show von Pilz bedingungslos unterstützt und damit die Arbeit der anderen im Klub desavouiert. Statt um Inhalte, so heißt es, ging es immer nur um die Pilz-Show.

Andererseits ist allen im Klub klar, dass sie ohne Pilz erst gar nicht ins Parlament gekommen wären. Bei der Wahl 2017 schaffte die Liste mit 4,4 Prozent und acht Mandaten auf Anhieb den Einzug in den Nationalrat. Der Erfolg war in großem Ausmaß auf den Listengründer und seine Bekanntheit zurückzuführen.

Der Ärger begann kurz darauf: Noch vor einer konstituierenden Sitzung des Parlaments verzichtete Pilz auf sein Mandat, nachdem Vorwürfe der sexuellen Belästigung aufgetaucht waren. Letztlich wurden alle Verfahren eingestellt, teils weil sie verjährt waren, teils weil die Betroffenen keine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilten. 2018 zog Pilz nach einer komplizierten Rochade wieder ins Parlament ein: Peter Kolba legte sein Mandat zurück, Maria Stern verzichtete schließlich auf ihres.

Ein weiterer Vorwurf seiner Mitstreiter lautet, dass Pilz parallel zum Parlamentsklub klassische Parteistrukturen samt Parteiakademie hochgezogen habe, obwohl dies anders vereinbart gewesen sei. Eigentlich hätte es gar keine Partei im eigentlichen Sinne geben sollen, nur einen Klub. Da Pilz kurzfristig aber keine parlamentarische Basis hatte, entwickelte er eine Partei samt Akademie, auch um alle staatlichen Förderungen in vollem Umfang abschöpfen zu können. So wie die anderen Parteien das eben auch machen. Das Skurrile daran: Pilz ist der einzige Abgeordnete seines Klubs, der auch Mitglied in seiner Partei ist. Alle anderen Abgeordneten hatten die Mitgliedschaft verweigert.

Wer auf den übrigen Plätzen der Bundesliste kandidiert, ist weiterhin offen. Mitgründer Kolba will auf STANDARD-Anfrage nicht sagen, ob er wieder antreten wird. Dem Vernehmen nach fragte Kolba auch die einstige Vice-Journalistin und Autorin Hanna Herbst, ob sie zu einem Antreten bereit gewesen wäre – entsprechende Pläne hatte es bereits bei der Listengründung 2017 gegeben. Herbst lehnte ab. Ebenso wollte die Partei einen Ökonomen rekrutieren, um die Lücke zu füllen, die Bruno Rossmann hinterlassen wird. Auch hier war man offenbar vorerst erfolglos.

Noll mit TV-Kanal

Der Noch-Abgeordnete Alfred Noll hat hingegen, bisher weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, einen eigenen Videokanal gegründet. Auf "Noll.tv" will der renommierte Jurist komplexe Themen wie Transparenz sowie den Alltag im Parlament erklären – viel Zeit bleibt ihm dafür nicht mehr, gibt es doch nur noch zwei Plenarsitzungen vor der Neuwahl. Die will die Abgeordnete Stephanie Cox für inhaltliche Arbeit nutzen, sagt sie dem STANDARD. In ihrem Fokus liegt der umstrittene Antrag von ÖVP und FPÖ, Sexualpädagogik künftig Lehrern statt externen Vereinen zu überlassen. Danach will Cox verreisen, um "Abstand von der Politik" zu erhalten. Offenbar kann der Abstand nicht groß genug sein: Sie verreist mit der Transsibirischen Eisenbahn. (Fabian Schmid, Maria Sterkl, Michael Völker, 16.7.2019)