Kein Mischwaldchor, sondern Präsident mit Bürgermeistern und Landesregierung.

Foto: Jutta Berger

Links Wallner, rechts der Bundespräsident.

Foto: Jutta Berger

Krumbach – Es war eine eigenartige Prozession, die sich vom Krumbacher Rossbad, einem Kurhaus, in den Wald bewegte. Männer in weißen Hemden und dunklen Hosen, ihnen auf den Fersen Fotografen und Kameraleute. Urlauber in richtiger Wanderkluft machten bereitwillig Platz: "Jessas, das ist ja der Präsident, was einem beim Wandern in Vorarlberg alles passieren kann!"

Die Bürgermeister der Modellregion Vorderer Bregenzerwald hatten Bundespräsident Alexander Van der Bellen eingeladen, sich ihre Strategien im Umgang mit dem Klimawandel anzusehen. Der Vorderwald mit seinen neun Gemeinden ist Teil des Bregenzerwaldes und eine von österreichweit 23 Klimawandel-Anpassungsmodellregionen.

Fototermin im Wald

Weil bald Wahl ist, ließen sich auch Landeshauptmann Markus Wallner (VP) und sein Regierungskollege und Parteifreund Christian Gantner den Fototermin, der eigentlich auf Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) zugeschnitten war, nicht entgehen. Den Bürgermeistern war es recht. So konnte man wieder einmal anbringen, was man für erfolgreiche Klimaprojekte braucht: gut informierte Politiker, die Bewusstsein schaffen und Geld lockermachen.

"Wissen Sie, was ein Plenterwald ist?", fragte Forstexperte Peter Feuersinger den Präsidenten. Alexander Van der Bellen musste passen. Bevor ihm die klimaschonende Waldbewirtschaftung gezeigt wurde, musste der Präsident aber die Schuhe ausziehe – denn die Weißhemden-Delegation wurde ins Moor geführt, stapfte mit aufgerollten Hosenbeinen durch das Moos.

Das Moor spüren

Vollkommen gegen die Naturschutzgesetze, sagte Exkursionsleiter Hans Metzler, aber um die Dringlichkeit des Moorschutzes spürbar zu machen, müsse man auch das Moor spüren. So standen die Herren auf Moospolstern zwischen Rundblättrigem Sonnentau und Sommerdrehwurz und erfuhren, dass die Erhaltung der Moore effizienter und kostengünstiger Klimaschutz ist, denn Moore entnehmen der Atmosphäre CO2 und binden es im Torf. Pro Hektar in der obersten, einen halben Meter dicken Schicht rund vier Lkw-Ladungen oder 150 Tonnen Kohlenstoff. "Aber nur, wenn der Wasserhaushalt stimmt", gab Moorexperte Metzler zu bedenken. Wird das Moor zu trocken, wird CO2 abgebaut. Das Moor wird vom CO2-Speicher zum Emittenten. Zwei Drittel der österreichischen Moore sind gefährdet, erfuhr der Bundespräsident.

"Was passiert, wenn das Moor nicht bewirtschaftet wird?", fragte der Präsident. "Dann holt sich der Wald die Fläche zurück", lautet die Antwort.

Der Präsident und die Weißtanne

In der Modellregion wird auf sorgfältige Waldbewirtschaftung Wert gelegt. Alexander Van der Bellen erfuhr nun von Peter Feuersinger, was es mit dem Plenterwald auf sich hat. Verschiedene Baumarten in unterschiedlichen Größen und Altersstufen machen den Wald aus. "Wie alt, glauben Sie, dass dieses Zwutschgerl ist?", fragte der Forstexperte und zeigte auf eine Mini-Weißtanne. "Ein Jahr???", der Präsident musste raten. Feuersinger zählte den Abstand zwischen den Ästen und kam auf 14. Großes Staunen. "Ja, Plenterwald, das hat was mit Geduld zu tun."

Man forste nicht großflächig mit schnell nachwachsenden Monokulturen auf und mache dann Kahlschlag, sondern setze auf Mischwald, entnommen werden nur einzelne Bäume. Im Spiel von Licht und Schatten wachsen die Bäume nach, je nach Lichtverhältnissen auch sehr langsam. Die Weißtanne, in Österreich fast ausgestorben, sei ein besonders geduldiger Baum, sagte Feuersinger. "Wie Sie, Herr Präsident, mit der letzten Regierung haben Sie ja auch viel Geduld gezeigt, eigentlich sind Sie eine Weißtanne", erlaubte sich der Waldexperte einen Exkurs in die Politik.

Ländlichen Raum stärken

Was bringt nun so ein Präsidentenbesuch im Wald? Guido Flatz, Bürgermeister von Doren und Regio-Obmann: "So ein Besuch bringt Öffentlichkeit und hilft, das Thema Klimawandel noch stärker in das Bewusstsein der Menschen zu bringen." Und natürlich sei es gut, sagt Flatz, wenn die halbe Landesregierung kommt und mitten im Wald steht, erfährt, was notwendig ist. "Dass sie nicht lockerlassen in der Stärkung des ländlichen Raums", erhofft sich Flatz, und mehr Geld für sanfte Mobilität, Wildbach- und Lawinenverbauung. Aber auch besseres Verständnis der Bauern für den Klimaschutz. "Höher, schneller, weiter darf nicht länger das Ziel in der Landwirtschaft sein."

Nach einem grünen Dienstag, der Tag begann mit der Besichtigung der neuen Zuggarnituren in Dornbirn, darf der Bundespräsident am Mittwoch die Schuhe anlassen – er wird die Bregenzer Festspiele eröffnen. (Jutta Berger, 16.7.2019)