Laut Facebook handelt es sich bei Libra bloß um ein Zahlungsmittel – für Regierungen und Notenbanken steckt aber viel mehr dahinter.

Als vor rund zehn Jahren der erste Bitcoin geschürft wurde, ahnten wohl weder Regierungen noch Währungshüter, was in Sachen Kryptowährungen noch auf sie zukommen wird. Zuerst wurde das digitale Geld noch belächelt, dann davor gewarnt und als Blase oder Pyramidenspiel verunglimpft – dennoch fand Bitcoin und die Idee einer von Notenbanken unabhängigen Währung im Lauf der Jahre immer mehr Zuspruch und Anhänger.

Seit das soziale Netzwerk Facebook mit seinen Milliarden an regelmäßigen Usern im Juni die Idee aufgegriffen hat und mit einer eigenen Kryptowährung namens Libra auf den Markt will, ist auf offizieller Seite aber endgültig Feuer am Dach. Notenbanken und Regierungen sehen sich durch ein privates Geld in ihrer Souveränität bedroht und fahren nun auf dem Treffen der Finanzminister und Währungshüter der G7-Staaten nahe Paris schwere Geschütze gegen Libra auf.

US-Konzerne dominieren

Besonders alarmiert ist man in Europa, zumal der in der Schweiz ansässige Verein, dem Facebook die Verwaltung von Libra übertragen will, von US-Konzernen dominiert wird. "Die Herausgabe einer Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens, denn sie ist ein Kernelement staatlicher Souveränität", wetterte der deutsche Finanzminister Olaf Scholz im Vorfeld des Treffens. "Der Euro ist und bleibt das einzige gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum."

Dem hält der zuständige Facebook-Manager David Marcus entgegen, dass Libra nicht als Konkurrenz zu staatlichen Währungen gedacht sei, wie er in einer Anhörung vor dem US-Kongress beteuerte. Libra soll ihm zufolge erst eingeführt werden, sobald alle regulatorischen Bedenken ausgeräumt und sämtliche Genehmigungen eingeholt seien. "Wir wissen, dass wir uns die Zeit nehmen müssen, um dies richtig zu machen", beteuerte Marcus.

Die Einführung von Libra in derzeitiger Form steht offenbar auf der Kippe.
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"Die Anhörung hat klar gezeigt, dass sich anfängliche Befürchtungen einer sehr harten Gangart gegenüber Libra bestätigen", sagte Patrick Heusser vom Finanzdienstleister Crypto Broker. Die Einführung von Libra stehe auf der Kippe, sollte es nicht gelingen, die Zweifel der Politik auszuräumen.

Genau darauf legt es offenbar besonders das von Scholz geführte Ressort an. Laut einem internen Vermerk des deutschen Finanzministeriums soll die Bundesbank gemeinsam mit der Regierung prüfen, wie man Libra als Alternative zur staatlichen Währung gänzlich verhindern könne. Auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagte, dass Facebook in der jetzigen Form mit dem Projekt nicht weitermachen könne. Europas Widerstand ist also massiv.

Ruf nach Regulierung

Andere Länder wie die USA pochen hingegen vehement auf eine rigorose Regulierung solcher Währungen. "Ich glaube, dass die US-Politik Libra als Testfall nutzen wird, um eine Gesetzgebung für Kryptowährungen und jede andere Form von digitalem Geld zu schaffen", mutmaßt Heusser.

Dabei bestehe bereits ein "dichter Wald an Regulierungen", an die sich Libra halten müsse, erklärt Friedrich Jergitsch, Partner und Kapitalmarktexperte bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Sowohl hinsichtlich Datenschutz, Zahlungsverkehr und Geldwäsche gebe es zahlreiche nationale oder europäische Vorschriften zu erfüllen. In Österreich wäre etwa die Libra Association, wie der Schweizer Libra-Verein heißt, Jergitsch zufolge regulatorisch bereits im Bereich eines Kreditinstituts anzusiedeln.

Die Furcht der Staaten vor Libra ist stark ausgeprägt – es geht um Einfluss und viel Geld.
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Warum fürchten dann Staaten Libra wie der Teufel das Weihwasser? "Die Staaten sind offensichtlich besorgt, dass etwas entsteht, das sie nicht mehr kontrollieren und nicht mehr so leicht zurückdrehen können", sagt Jergitsch. Herkömmliche Notenbanken seien zwar offiziell unabhängig, würden ihre Geldpolitik in der Praxis aber mit der Politik koordinieren – ein Instrument, auf dass Staaten nicht verzichten wollten. Warum? "Die Finanzierung von Staaten könnte erschwert werden, wenn die eigene Währung stärker inflationiert als Libra."

Kein Platz für Banken

Auffallend ist auch, dass in der Libra Association zwar prominente Zahlungsdienstleister wie Mastercard, Visa oder Paypal vertreten sind, unter den 27 Mitgliedern befindet sich aber keine Bank. Für Jergitsch handelt es sich dabei eine bewusste Entscheidung: "Die großen Technologiekonzerne wollen selbst in den Finanzdienstleistungssektor vorstoßen und sehen das als Erweiterung des Geschäftsmodells." Im Gegenzug könnten Branchenvertreter in Bedrängnis kommen, die bei Libra nicht an Bord sind – sofern die Facebook-Währung zum Erfolg wird.

Ob es dazu kommt, wird die Zukunft zeigen. Eines dürfte aber Gewissheit sein, ob es Regierungen und Notenbankern recht ist oder nicht: Auch die Zukunft des Geldes ist digital. (Alexander Hahn, 17.7.2019)