Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und EU-Kommissar Johannes Hahn (von links) sind zufrieden mit ihrem Vorschlag.

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Wien – Eine reguläre Regierungschefin wäre der Frage wohl kunstvoll ausgewichen. Doch Brigitte Bierlein ist Übergangskanzlerin und hat für solche Rituale wenig übrig. Also beantwortete sie die Frage geradeaus, was denn geschehe, wenn die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Johannes Hahn als österreichischen Beitrag zur Besetzung der Europäischen Kommission ablehne: Sie gehe nicht davon aus, dass das passiert – aber im Fall des Falles würde sie sich dann eben "ein Prozedere überlegen".

Das Thema steht bei der Präsentation von Hahn, der nach zwei Amtszeiten als EU-Kommissar wieder vorgeschlagen wird, jedenfalls im Raum: und zwar, weil sie nicht den Wünschen von der Leyens entspricht. Sie wollte von jedem Mitgliedstaat einen Zweiervorschlag, möglichst mit mindestens einer Frau, um eine nach Geschlechtern ausgewogen besetzte Kommission zu ermöglichen. Und sie ließ auch gleich wissen, dass sie nicht davor zurückscheue, Vorschläge aus den Staaten zurückzuweisen.

Hahn stolz auf "hohe demokratische Legitimierung"

Nun schlägt Österreich nur ein Kommissionsmitglied vor, und das ist ein Mann. "Grundsätzlich", erklärte Bierlein, sei ihr ein ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen in der Politik "ein sehr sehr großes Anliegen" – doch in diesem Fall sei es nicht anders gegangen: Nur für Hahn hätte sich eine Mehrheit abgezeichnet.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) verwies auf die "besondere Situation", in der sich Österreichs Politik gerade befinde. Am Ende stimmten im Hauptausschuss des Nationalrats am Donnerstag alle Parteien für den bestehenden Kommissar. "Das war im Vorfeld keineswegs so klar abzusehen", sagte Bierlein.

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Wegducken vor der Quote

Obendrein sei Hahn so qualifiziert wie kaum ein anderer – allein schon, weil er ja bereits zwei Amtsperioden hinter sich hat. Außerdem sei eine Mischung aus neuen und erfahrenen Kommissaren wichtig.

Und dann hat Hahn noch einen ganz speziellen Erfahrungswert, den Kanzlerin und Nationalratspräsident nicht erwähnen: das Wegducken vor der Frauenquote. Schon 2014 wollte der damalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker möglichst viele Frauen in seinem Team. Und forderte die Mitgliedstaaten auf, vermehrt Politikerinnen vorzuschlagen. Davon würde dann auch abhängen, wie mächtig und prestigeträchtig die zugewiesenen Ressorts ausfallen würden. Österreich schickte Hahn – der dann trotzdem das wichtige Portfolio der Nachbarschaftspolitik erhielt. Das würde er im Übrigen gerne behalten – auch diese Entscheidung liegt aber bei von der Leyen. (Sebastian Fellner, 18.7.2019)