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Demenz ist eine Erkrankung, die sich über viele Jahre anbahnt. Wenn Zellen im Gehirn absterben, kann dieser Verlust eine ganze Zeit lang kompensiert werden. Was Wissenschaftlern aufgefallen ist: Bevor die Diagnose Demenz gestellt wird, hatten viele Betroffene über Schlafstörungen geklagt. In verschiedenen Studien wurde bereits gezeigt, dass zwischen Schlaf und Anzeichen für eine Demenzerkrankung wie eine Anreicherung von Beta-Amyloid und Einschränkungen der Denkleistung ein Zusammenhang besteht.

Besonders fiel in manchen Studien die Bedeutung bestimmter Schlafphasen auf. In diesen langsam-wellig (slow wave) genannten Phasen schläft man besonders tief. Fehlen diese Schlafphasen oder werden sie unterbrochen, ist der Schlaf bereits kurzfristig weniger erholsam. Die entscheidende Frage war nun, ob Schlafmittel eine Option sein könnten – konkret das Mittel Trazodon, das den Schlaf und speziell die Slow-wave-Phase des Schlafs fördern kann –, längerfristig einem Abbau der Denkleistung entgegenzutreten. Das Deutsche Gesundheitsportal bringt die Studie von amerikanischen Wissenschaftern in den Fokus und beantwortet die Frage, ob gesunder Schlaf das Gehirn vor Schäden schützen kann.

Ausgeschlafen sein

Dazu ermittelten die US-Experten 25 Patienten mit einer Alzheimer-Diagnose, die regelmäßig Trazodon als Schlafmittel einnahmen. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 75,4 Jahre alt. Neun waren Frauen, 16 Männer. Alle litten unter nur leichten Einbußen der Denkleistung oder hatten eine normale Denkleistung. Diese Menschen wurden mit 25 Personen verglichen, die ähnlich in Geschlecht und Alter waren, dieselbe Diagnose sowie ähnliche Schlafstörungen hatten, aber nicht Trazodon einsetzten. Die Vergleichsgruppe war im Mittel 74,5 Jahre alt, 13 dieser Teilnehmer waren Frauen, zwölf waren Männer. Beide Gruppen unterschieden sich auch nicht in der Einschätzung ihrer Denkleistung auf Basis des Mini-Mentalstatustests (MMST). Dieser Test wurde nach vier Jahren wiederholt.

Die Ergebnisse sprachen deutlich für dieses spezielle Schlafmittel. Demenzpatienten, die nicht Trazodon nutzten, bauten ihre Denkleistung 2,6-mal schneller ab als Patienten, die das Schlafmittel einsetzten. Die Trazodon-Nutzer verloren pro Jahr im Schnitt 0,27 Punkte an Denkleistung, die Vergleichsgruppe dagegen 0,70 Punkte. Dieser Unterschied wurde deutlicher, wenn die individuellen Verbesserungen der Schlafprobleme berücksichtigt wurden.

Besser denken können

Besserschläfer mit Trazodon hatten demnach einen klar messbaren Denkvorteil. Weitere ermittelte Symptome in Denkleistung und Funktionalität waren dagegen weniger eindeutig und variierten stark, besonders auch je nach unterschiedlichen begleitenden Medikationen. Die Behandlung mit Trazodon schien demnach einen klaren Bonus für die Erhaltung der Denkleistung bei der Alzheimerkrankheit zu geben. Das eröffnet eine unerwartete, mögliche Behandlungsoption bei Demenz. Wie genau das Mittel auf den Erkrankungsverlauf einwirkt, ist noch nicht geklärt und bedarf weiterer Forschung.

In einem den Artikel begleitenden Kommentar ging J. Wesson Ashford, Vorsitzender des Gedächtnisscreening-Gremiums der Alzheimer’s Foundation of America, näher auf die möglichen Ursachen des Trazodon-Effekts ein. Während andere Schlafmittel typischerweise längerfristig mit schlechterer Denkleistung einhergehen, scheint Trazodon besser bestimmte Eigenschaften des Schlafs zu verbessern, die der natürlichen Gehirnfunktion entgegenkommen.

Die Substanz wirkt über verschiedene Wege: über einen Serotoninrezeptor (5-HT2A), als Rezeptorantagonist (α1-adrenerg), ähnlich (aber schwach) wie ein SSRI-Antidepressivum, und es interagiert mit einem speziellen Histaminrezeptor (Histamin H1). Die Wirkweise im Gehirn ist demnach komplex und kaum verstanden. Die neuen Ergebnisse bieten aber genügend Potenzial, um die Erforschung der Grundlagen von Schlaf und Alzheimerdemenz und möglicher weiterer Behandlungen auf dieser Basis zu forcieren. (red, 18.7.2019)