Ein Pilotprojekt mit 29 Wohnungen entsteht in Berlin-Köpenick.

Visualisierung: LiM

Steigende Mieten, Wohnraum als Spekulationsobjekt, Debatten über Mietendeckel und Enteignungen: Die Städte Europas ringen um leistbaren Wohnbau. Dabei wird nur am Rande darüber diskutiert, welche Organisationsform für die Leistbarkeit die beste ist. Hier liegt, wie eine länderübergreifende Interessengruppe festgestellt hat, noch ungenutztes Potenzial.

Seit August 2006 besteht in der EU die Möglichkeit, eine Europäische Genossenschaft (SCE) zu gründen. Diese kann von mindestens fünf juristischen oder natürlichen Personen aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten des EWR gegründet werden und benötigt Gründungskapital von mindestens 30.000 Euro. Bisher haben nicht viele EU-Bürger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, erst recht nicht im Wohnbau. Zwar gibt es europaweit rund 175.000 Genossenschaften, doch diese sind praktisch alle auf lokaler und nationaler Ebene aktiv.

Das hat sich jetzt geändert: Denn im Mai 2018 gründete eine Gruppe von über 30 Personen aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Österreich die erste europäische Wohnungsbaugenossenschaft unter dem Namen "LiM – Living in Metropolises". Ihr Ziel ist es, neben bezahlbaren Mieten in den Metropolen Europas unkomplizierte Wohnungswechsel innerhalb Europas zu ermöglichen.

"Europäische Idee"

"Entstanden ist die Idee vor etwa vier Jahren", erklärt Architekt und LiM-Gründungsmitglied Otto Höller, der in Wien, Berlin und Helsinki das Büro Tafkaoo Architekten leitet und Erfahrungen mit dem Wohnbau in mehreren europäischen Staaten gemacht hat. "Es ist eine durch und durch europäische Idee, die von der länderübergreifenden Vernetzung profitiert."

Das internationale Know-how, das die Genossenschaft über ihre Mitglieder ansammelt, soll als Anreiz für lokale Bauträger dienen, mit denen man kooperiert. Die Genossenschaftsidee, so Höller, sei eine der besten Formen, leistbaren Wohnraum umzusetzen, da sie nicht auf Gewinnmaximierung angelegt sei und generationenübergreifendes, aber nicht spekulatives Eigentum sichere.

"Bei der aktuellen SCE-Neugründung wird ein auf Dauer angelegtes Unternehmen mit sozialem, christlichem und wohnreformerischem Schwerpunkt angestrebt", erläuterte LiM-Vorstandsmitglied Dirk Lönnecker in der Monatszeitschrift Die Wohnungswirtschaft. Die Einnahmen von LiM sollen in Folgeprojekte investiert werden.

Im Wohnangebot will sich LiM vor allem an Jüngere, mittlere Einkommensschichten, Alleinerziehende und Teilzeitbeschäftigte wenden. Ein Pilotprojekt mit 29 Wohnungen entsteht zurzeit in Berlin-Köpenick und soll 2020/21 fertiggestellt werden. Die nächsten beiden LiM-Projekte sind bereits in Helsinki und Riga in Planung.

Bauträgerwettbewerbe in Wien

In Österreich wartet man noch auf die Anerkennung als Genossenschaft und will dann bei den Bauträgerwettbewerben in Wien an den Start gehen. Mitglieder und Kooperationspartner sucht man derweil in allen Ländern. Wer immer sich der Genossenschaftsidee verbunden fühlt, sei als Mitglied der SCE willkommen.

Eine Idee, die über das rein Immobilienwirtschaftliche weit hinausgeht: Denn seit November 2016 ist die "Idee und Praxis der Organisation gemeinsamer Interessen in Genossenschaften" auf der "Repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit" der Unesco eingetragen. (Maik Novotny, 20.7.2019)