Ein Kommandeur der israelischen Armee wird zum Drehbucheinsager einer palästinischen Seifenoper: Der Film im Film "Tel Aviv on Fire" spielt alle Stücke.

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1967, drei Monate vor dem Sechstagekrieg: ein Hotelzimmer, ein gepackter Koffer, ein schönes Paar. "Liebling, dein Pass ist fertig. Dein neuer Name ist Rachel Ashkenasi". Die arabische Spionin im luftigen Sommerkleid soll sich unter falscher Identität an den israelischen General Yehuda heranmachen und die Kriegspläne in ihren Besitz bringen. Zu anschwellenden Geigenklängen endet die Szene mit einem in palästinensichem Nationalismus getränkten Liebesbekenntnis. Beim Abspann lodern Flammen.

Tel Aviv on Fire nennt sich die cheesy Seifenoper in Sameh Zoabis gleichnamigen Film, die sich unter Palästinensern wie Israelis – trotz deftigem Anti-Zionismus – großer Beliebtheit erfreut. Die Film-im-Film- und Making-Of-Ebene sind dem in Israel aufgewachsenen palästinensischen Regisseur eine Bühne, auf der sich mit einem Thema Komödie spielen lässt, das sich zum Scherzen eher verbietet. Dass Zoabi dabei eine ebenso witzige wie luftige Nahost-Konflikt-Komödie gelungen ist, verdankt sich hauptsächlich seinem hintersinnigen Humor und Feingefühl. Das unangestrengte Nebeneinander von überspannter Weichzeichner-Schnulze und trockener filmischer Realität erzeugt zudem einen schönen Kontrast.

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Hauptfigur des Films ist der nicht mehr ganz junge Palästinenser Salam (Kais Nashif), ein in Ost-Jerusalem lebender spätjugendlicher Schluffi. Über seinen Onkel und Produzenten von Tel Aviv on Fire wird er bei der in Ramallah gedrehten Serie als Hebräisch-Berater angestellt. Nachdem er der Drehbuchautorin zunächst etwas ungeschickt ins Handwerk pfuscht, steigt Salam schon bald zum Serienautor auf. Dahinter steckt jedoch weniger künstlerische Ambition als ein israelischer Kommandeur, dem bei einer Checkpointkontrolle das Drehbuch für die nächste Folge in die Hände gefallen ist.

Steile Wendungen

Assi (Yaniv Biton), dessen Frau zu den glühenden Fans der Serie gehört – "Ist doch egal, dass der arabische Mann ein Terrorist ist. Er sieht schließlich gut aus, ist männlich, ein Gentleman" – bringt den Autor dazu, das Skript im pro-israelischen Sinne abzuändern. Und weil die steilen dramaturgischen Wendungen bei Team und Publikum gut ankommen, steht Salam plötzlich unter Druck, weiter zu liefern. Im Austausch für feinsten arabischen Hummus lässt er sich von Assi eine schwülstige palästinensisch-israelische Liebesgeschichte in die Feder diktieren, die immer abenteuerlichere Wendungen nimmt und in der Presse bald auf heftigen Widerstand stößt. Währenddessen entdeckt Salam zur eigenen Überraschung seine eigene Autorenstimme – und findet so seinen Platz im Leben.

Abstruse Fabulierkunst

Zoabi verschiebt in seinem Film die Ernüchterungen, verlorenen Hoffnungen und Utopien des Nahost-Konflikts auf die Ebene abstruser Fabulierkunst, ohne sie zu verlachen oder auch metaphorisch zu überhöhen. Vor allem das Serienende wird in Tel Aviv on Fire zum umkämpften Feld widerstreitender Projektionen. Assi möchte das Serienpaar Rachel und Yehuda unbedingt vor dem Traualtar sehen – ein Plot Twist, den der Produzent zunächst als ein weiteres "Oslo-Abkommen" ablehnt – " eine große Illusion, die nichts verändert". Am Ende steht der Autor vor der Knobelaufgabe, wie man das Paar trennt, die Geschichte rettet und die Spannung hält – und das alles, ohne jemanden zu töten.