Fetischqueen Steven Cohen und ein Hakenkreuz aus geknickten Rehläufen.

Pierre Planchenault

Der Performer gönnt sich ein Blutbad.

Pierre Planchenault

Wenn dir etwas so sehr wehtut, dass dich der Schmerz zu zerreißen droht, bist du mit etwas Glück nicht ganz allein. Steven Cohen konnte sich an seine, wie er sagt, "Ersatzmutter" wenden, als sein Lebenspartner Elu Johann Kieser starb. Was die 96-Jährige antwortete, wurde zum Titel einer Per formance, mit der Cohen seinen Verlust zu verarbeiten sucht: Put your heart under your feet ... and walk! Zu sehen ist diese Soloarbeit noch bis Sonntag bei Impulstanz im Odeon.

Alles, was das Publikum hier sehe, sagt Cohen gegen Ende des Stücks, sei real. Danach öffnet er einen kleinen Holzsarg, entnimmt ihm einen Löffel mit Kiesers Asche und nimmt diese zu sich: "A bitter mouthful of your body, Elu." Der 1962 geborene, aus Südafrika stammende jüdische Künstler tritt stets auf wie ein Paradiesvogel. Sein geschminktes Gesicht ist mit symbolträchtigen Appli kationen versehen, an den Füßen trägt er mit Vorliebe monströse Plateauschuhe – hier unter anderem mit zwei kleinen weißen Särgen verlängert – und am Körper, wenn er nicht nackt auftritt, fantastische Kleider.

Auch in diesem Stück wird deutlich, dass Steven Cohen nicht einfach eine Fetischqueen ist, sondern das Anderssein als politisches Statement in die Öffentlichkeit trägt. Diesmal geht es um das Weiterleben mit einer inneren Wunde, die sich nie wieder schließen wird. Die Übersetzung dieses Leidens in ein Kunstwerk ist hier keine Spekulation, sondern erweist sich als Verallgemeinerung – weil sehr viele andere ebenfalls solche Verletzungen in sich tragen.

Satanische Zeichen

An die Rückwand der Bühne projiziert Cohen großformatige Videos. Eines zeigt ihn an der rot dampfenden Höllenquelle der japanischen Stadt Beppu, in einem anderen – für viele Zuschauer an der Grenze des Erträglichen – badet er im Blut frisch geschlachteter Rinder in einem fleisch verarbeitenden Betrieb. Auch die Symbolik der Objekte, die der Performer in zehn dichten Reihen auf seiner Tanzfläche arrangiert hat, ist deutlich: Es sind überwiegend Spitzentanzschuhe, an die er Gegenstände montiert hat. Kleine Holzkreuze zum Beispiel, die verkehrt herum als Dia auf der Leinwand als satanische Zeichen lesbar sind. Ein Ballettschuh ist mit geknickten Rehläufen zu einem Hakenkreuz erweitert, in einen anderen ein großer Nagel getrieben.

Das alles kommt vordergründig daher und fordert den zeitgenössischen Zwang zur Verklausu lierung, Ironisierung und bedeutungsschwangeren Banalität heraus. Über das "reale" Trauerritual Put your heart under your feet ... and walk! lässt sich nur schwer diskutieren. Über das Kunstwerk und dessen kathartisierende Vintage ästhetik allerdings kann man ganz hervorragend streiten. Ab 27. Juli gibt es übrigens noch eine Cohen-Arbeit bei Impulstanz zu sehen: Taste im Leopold -Museum.