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Das Ende einer Zombieameise: Aus ihrer Leiche sind gleich zwei Fruchtkörper jenes Pilzes gewachsen, der das Insekt in den Tod getrieben hat.
Foto: Morley Read / Science Photo Library / picturedesk.com

Mitunter übertrifft die Natur jeden schlechten Zombiefilm. Man führe sich nur einmal vor Augen, was eine bestimmte Pilzart im südamerikanischen Regenwald mit Rossameisen anstellt. Werden die Insekten von Sporen des Pilzes Ophiocordyceps unilateralis infiziert, klettern sie einige Tage später wie ferngesteuert auf Pflanzen, verbeißen sich knapp über dem Boden in ein Blatt und sterben.

Ein paar Tage später wächst aus dem Körper der Ameisen – meist auch aus deren Kopf – der Fruchtkörper des Pilzes und platzt kurz danach. Die Sporen fallen zu Boden und infizieren weitere Ameisen, die gerade vorbeikrabbeln und nach dem Befall durch die Sporen ebenfalls zu Zombies werden – wodurch das Grauen von Neuem beginnen kann.

Praxis seit 48 Millionen Jahren

Dieser Zombiezyklus wiederholt sich schon seit mindestens 48 Millionen Jahren: So alt ist ein Blattfossil, auf dem sich die ältesten Spuren einer solchen ferngesteuerten Ameise fanden, die sich in ein Blatt verbissen hatte.

Rund um diese Zombifizierung sind viele spannende Fragen offen: Wie schafft es der parasitische Pilz, die Ameise auf die Pflanzen zu dirigieren, wo die für den Pilz idealen Lebensbedingungen herrschen? Warum verbeißen sich die willenlosen Insekten vor dem Tod so fest in Blattunterseiten, dass sie dort für immer festhängen?

BBC Studios

Steuerung über das Gehirn?

Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass die Pilzsporen, die am Außenskelett der Ameisen keimen, über ihre fadenförmigen Zellen (Hyphen) in den Körper eindringen, sich bis in das Gehirn vorarbeiten und dort – auf welche rätselhafte Weise auch immer – das Verhalten ihrer Opfer manipulieren. Doch nun liefert ein Team um den weltweit führenden Zombieameisenforscher David Hughes (Penn State University) eine etwas andere Antwort – zumindest auf die zweite Frage.

Die Vorbereitungsmaßnahmen für diese Untersuchungen im Labor waren einigermaßen aufwendig, denn der Pilz existiert nur unter sehr speziellen mikroklimatischen Bedingungen. Schließlich gelang es den Forschern, einige zombifizierte Ameisen unmittelbar nach dem Todesbiss einzufrieren, um sie so unter einem Elektronenmikroskop zu untersuchen.

Genauer Blick auf die Kiefermuskeln

Die Entomologin Colleen Mangold aus dem Team von Hughes hat sich für die neue Studie vorgenommen, die Kiefer der Ameisen genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit wollte sie ergründen, wie es zu dem finalen Biss der Ameisen kommt – und was der Pilz damit zu tun hat.

Wie Mangold und ihre Kollegen im "Journal of Experimental Biology" berichten, scheint der Pilz weniger ins Gehirn der Insekten vorzudringen, sondern in deren Muskeln – konkret: in die der Kiefer. Dabei durchdringt er die feine Membran, die den Muskel überzieht, was letztlich zu extremen Kontraktionen führt. Diese zerstören die Muskelfilamente, was die tote Ameise am Blatt fixiert.

Blick durch das Elektronenmikroskop auf die gesunde Kiefermuskulatur einer Ameise (oben links) im Vergleich zu der "gestreiften", die vom Pilz befallen ist (rechts oben). Ob die rätselhaften Bläschen unten zum Pilz oder zur Ameise gehören, ist nicht ganz klar.

Die neuen Erkenntnisse werfen aber auch einige neue Fragen auf: So zeigten sich auf den befallenen Ameisenmuskeln seltsame bläschenartige Strukturen (siehe Foto oben), die mit den Hyphen in Verbindung stehen. Unklar ist, ob sie zum Pilz gehören oder ein Abwehrversuch der Ameisen sind.

Es bleibt also noch jede Menge zu tun für die Zombieameisenforschung! (Klaus Taschwer, 18.7.2019)