Die Freiheitlichen haben einen üblen Verdacht, und Gernot Blümel hat ihn mit seinem Interview im "Kurier" vom Sonntag erhärtet: Jemand wolle ihre fest geschlossenen Reihen aufspalten! Aber sie halten die Fahne hoch und marschieren mit ruhig festem Schritt dem Wahltag entgegen, der ihre Unentbehrlichkeit für eine Fortsetzung der Kanzlerschaft Kurz erweisen soll. Und an Herbert "Was hab ich mit Ibiza zu tun?" Kickl muss nicht scheitern, was sich siebzehn Monate so talmiglänzend bewährt hat, auch wenn derzeit noch auf nibelungentreu getan wird. Diese Treue hat in der FPÖ schon manche Triumphe gefeiert.

Blümel hat sich redlich bemüht, den Abbruch der türkis-blauen Koalition als Gegenmaßnahme schönzureden, "um unsere Vertrauenswürdigkeit wieder herzustellen", und zwar gleich vor der ganzen Welt. Wozu es nun einen "Paradigmenwechsel" geben müsse.

Leider ließ er dabei geflissentlich unter den Tisch fallen, wer diese – unsere? – Vertrauenswürdigkeit gefährdet hat. Und das waren in erster Linie nun einmal jene türkisen Kräfte in der ÖVP, denen die Freiheitlichen als Hebel gegen die Sozialdemokraten willkommen waren.

Schwäche für Oligarchinnen

Und sie wussten, was sie taten. Die rechtspopulistischen Sprüche, mit denen Kickl jahrelang seinen Bekanntheitsgrad sattsam erhöht hatte, reichten als Empfehlung für das Innenministerium. Erst der plötzliche Verdacht, es könnte ihm bei der Aufklärung des Ibiza-Skandals an "allerhöchster Glaubwürdigkeit" fehlen, sollte ihm die Qualifikation für den Job entziehen. Nach Monaten des Lobes für seine Arbeit traute man ihm plötzlich Glaubwürdigkeit und seriöse Aufklärung nicht mehr zu? Natürlich nicht, und das zu Recht, aber dann hätte man schon gar nicht das Innenressort mit ihm besetzen dürfen.

Um Herbert Kickl muss man sich keine Sorgen machen.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Doch was tut man nicht alles, damit Sebastian Kurz Kanzler wird. Jetzt plötzlich soll Kickl – "völlig wurscht" – für jegliches Ministeramt ungeeignet sein. Als, wie die "Kronen Zeitung" verriet, Adept des Philosophen Hegel und dessen "dialektischen Prinzips" sollte er sich nicht wundern, derart vom Kopf auf die Füße gestellt zu werden. Es geht ja nicht nur ihm so. Bei Heinz-Christian Strache ist das noch drastischer erfolgt, obwohl er eher einer Schwäche für Oligarchinnen als für Hegel frönt. Kein Schimmer vom dialektischen Prinzip!

In Ibiza haben sich Strache und Johann Gudenus in ihren Aussagen nicht von einer neuen, an ihnen überraschenden Seite gezeigt, sondern als das, was sie sind beziehungsweise waren. Der Rest ihrer Partei hat das vielleicht ein bisserl blöd gefunden, aber sonst nicht weiter schlimm. Wieso Blümel auf einmal im Umgang mit den Freiheitlichen einen Wechsel jenes Paradigmas einfordert, das in den Kreisen von Kurz zuvor niemanden gestört hat, gleichzeitig aber die Fortsetzung einer Koalition mit den blauen Paradigmatikern nicht definitiv ausschließt, ist nur mit "Völlig wurscht" als dialektischem Prinzip zu erklären – Hauptsache Kurz wird wieder Kanzler.

Um Kickl muss man sich keine Sorgen machen. Irgendetwas bei der russischen Bahn sollte sich doch auch für ihn finden. Wenn nicht, kann er immer noch von Strache lernen und auf seiner Frau als Innenministerin bestehen. (Günter Traxler, 18.7.2019)