Robin (Maya Hawke) aus "Stranger Things" ist aus anderem Grund baff. Die Geschäftszahlen von Netflix für das zweite Quartal führten zu einem Kurseinbruch an der Börse.

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Das Wichtigste zuerst: Eine vierte Staffel von Stranger Things soll es geben. Wann, diesbezüglich halten sich die Produzenten der gerade so gehypten Mysteryserie aber bedeckt. Schlimmstenfalls könnte es wieder zwei Jahre dauern. Dann sind die jungen Serienlieblinge aber schon fast erwachsen. Es ist gerade nicht einfach.

Seltsame Dinge anderer Art ereignen sich zeitgleich in Los Gatos, Firmensitz von Netflix. Nach Jahren beständigen Wachstums verzeichnet die Streamingplattform erstmals einen Einbruch.

130.000 Abos weniger

Laut Abozahlen vom zweiten Quartal verlor Netflix im Heimmarkt USA rund 130.000 Abos – erstmals seit acht Jahren. Mit den Nutzerzahlen blieb Netflix weit unter den Erwartungen der Wall-Street-Experten, und auch unter der eigenen Prognose von fünf Millionen neuen Nutzern. Die Investoren reagierten nervös und ließen die Aktie im nachbörslichen US-Handel zeitweise um 13 Prozent fallen.

Jammern auf hohem Niveau? Immerhin schaffte der Streaming-Riese zum Quartalsende dank Zugewinnen außerhalb der USA noch einen Anstieg auf knapp 152 Millionen bezahlte Mitgliedschaften. Unterm Strich kamen 2,7 Millionen Bezahlabos hinzu. Der Umsatz im Jahresvergleich stieg um 26 Prozent auf 4,9 Milliarden Dollar. Der Gewinn liegt mit 270,7 Millionen Dollar (241,2 Millionen Euro) über den Vorhersagen der Finanzanalysten. Der Aktienkurs stieg im Jahresverlauf schon um 35 Prozent, sodass die Gelegenheit für Gewinnmitnahmen günstig ist. Analysten sehen dennoch härtere Zeiten auf den erfolgsverwöhnten Streaminganbieter zukommen.

Besonders jüngste Preiserhöhungen verärgerten Kunden, zudem wollen neue Player von Disney, Apple und Warners HBO Max ein Stück vom Kuchen mitnaschen. Das Rennen um die Gunst der Abonnenten hat begonnen.

Dazu kommt, dass das Geschäftsmodell des Online-Videoanbieters auf Schuldenmachen beruht. Allein letztes Jahr pumpte Netflix mehr als zwölf Milliarden Dollar in eigene Filme und Serien. Das Geld dafür stammt aus Krediten. Am Ende des zweiten Quartals hat Netflix insgesamt Schulden in Höhe von mehr als 24 Milliarden US-Dollar.

Alleinstellungsmerkmal

Dass sich aber genau dieses Geschäftsmodell auf lange Sicht auszahlen wird, glaubt der Investor und frühere Amazon-Stratege Matthew Ball, der sich via Twitter in die Debatte einschaltete. Nach wie vor besitze Netflix ein Alleinstellungsmerkmal am Markt der Streaminganbieter. Während Amazon, Disney, Apple, Warner etc. ihr Kerngeschäft in anderen Branchen hätten, sei das Streaminggeschäft Netflix' alleiniger Geschäftszweck: "Das Ziel- und Geschäftsmodell von Netflix ist klar. Es möchte der weltgrößte Videoanbieter sein." Dieses konzentrierte Interesse sieht Ball als Vorteil. Es verschaffe "dem Unternehmen eine noch nie dagewesene Kontrolle über Kosten, Angebot, Preisgestaltung und Optionalität".

Unter diesen Voraussetzungen werde Netflix – zumindest in den USA – das sein, was viele bisher als "Fernsehen" bezeichneten – mit Ausnahme von All-in-one-Marken wie AMC , Discovery und CBS, Showtime, PBS sowie Live-Sport und Nachrichten. In absehbarer Zeit werde Netflix reiner On-Demand-Dienst sein, prognostiziert Ball: "Es wird Einnahmen durch direkte Benutzerabonnements generieren, wobei das Wachstum durch eine höhere Marktdurchdringung und höhere Preise zustande kommt.

Das Unternehmen ist diesbezüglich seit 2007 konsequent und offen." Als Beweis sieht Ball die Investitionen in Inhalte: Netflix investiert in Filme und Serien mehr als Amazon (vier bis sechs Milliarden Dollar), Hulu (drei Milliarden), HBO (zwei Milliarden), Apple (eine Milliarde), Showtime (1,5 Milliarden), Starz (eine Milliarde), CBS All Access (500.000 Dollar) und Youtube zusammen. Damit sei es für Netflix leichter, Trends abzufangen und nachzuahmen. Die Bereitschaft der Abonnenten, sich genau für Netflix zu entscheiden, sei dann höher.

Mehr Einnahmen durch Werbung lehnt Netflix weiterhin ab: "Wir glauben, dass wir langfristig ein wertvolleres Geschäft betreiben, indem wir uns aus dem Wettbewerb um Werbeeinnahmen heraushalten und stattdessen voll und ganz um die Zufriedenheit der Zuschauer konkurrieren", hieß es im Brief an die Aktionäre. (prie, 19.7.2019)