Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP / Matthias Schrader

München/Hamburg – Oliver Zipse wird neuer Vorstandschef von BMW. Am 16. August steigt der bisherige Produktionsvorstand an die Spitze des bayerischen Autobauers auf und löst damit Harald Krüger (53) ab, der nach wochenlangen Spekulationen seinen vorzeitigen Rückzug nach nur vier Jahren im BMW-Chefsessel erklärt hat. Das hat der Aufsichtsrat fernab vom BMW-Hauptquartier, im BMW-Werk Spartanburg in South Carolina, beschlossen.

"Mit Oliver Zipse übernimmt ein führungsstarker Stratege und Analytiker den Vorstandsvorsitz der BMW AG", sagte Aufsichtsratschef Norbert Reithofer, der BMW vor Krüger geführt hatte. "Er wird der BMW Group zusätzliche Impulse bei der Gestaltung der Mobilität der Zukunft verleihen."

Zipse hat sich damit gegen Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich durchgesetzt. Mit dem 55-Jährigen im Cockpit verbindet man bei BMW den Wunsch nach einer stärkeren Führung. Der Manager mit dem Schmiss an der Oberlippe soll dem Konzern auf dem Weg ins Zeitalter der Elektromobilität und des autonomen Fahrens die Orientierung geben, die Krüger vermissen ließ.

Verbindlich und dienstbar

Der gebürtige Heidelberger war mit Krügers Berufung zum Konzernchef 2015 in den Vorstand aufgestiegen. Vorher war er unter anderem Strategiechef. Der mit einer Japanerin verheiratete Vater zweier Söhne hat sein ganzes Berufsleben bei BMW verbracht. Zipse gilt als verbindlich, dienstbar, nüchtern, teamorientiert – und von den Gewerkschaften geschätzt. Daran knüpft man auch in Österreich Hoffnung, betreiben die Bayern im oberösterreichischen Steyr doch ein Motorenwerk samt Dieselkompetenzzentrum, das durch Abgasmanipulationen und Dieselkrise unter Druck steht.

Bisher waren die Produktionswerke von BMW seine Welt. Jetzt muss der neue CEO Oliver Zipse vor allem bei der Strategie aufzeigen.
Foto: AFP / Alfredo Estrella

Zipse habe sich für den Spitzenposten empfohlen, sagen Insider, indem er BMW durch ein ausgeklügeltes Netz von weltumspannenden Produktionsstandorten weniger abhängig von Handelskonflikten und konjunkturellen Schwankungen gemacht hat. Das allein reicht nach Meinung von Experten aber nicht aus, um BMW in eine Zukunft zu führen, in der Software und IT eine wachsende Rolle spielen. Digitale, vernetzte Mobilitätsdienste nehmen einen immer größeren Stellenwert ein und versprechen ein Milliardengeschäft, um das sich die Autokonzerne mit Konzernen aus der IT- und Internetbranche streiten. Im Nacken sitzt ihnen auch der amerikanische Elektroautobauer Tesla, der mit seinem günstigeren Model 3 Marktanteile erobern will.

Elektrisch abgehängt

Die Bayern haben mit dem batteriebetriebenen i3 und dem Hybridsportwagen i8 zwar früh auf Elektromobilität gesetzt, drohen inzwischen aber abgehängt zu werden, da Konkurrenten wie Volkswagen massiv in E-Autos investieren. Der Druck ist noch dadurch gestiegen, dass BMW zu Jahresbeginn im Autogeschäft erstmals seit zehn Jahren Verluste geschrieben hat und vor harten Einschnitten steht. Selbst ein Personalabbau wird nicht ausgeschlossen.

Neue Strategie

Aufsichtsratschef Reithofer gab sich in Spartanburg zuversichtlich: "Mit ihrer Innovationskraft, ihren starken Marken und ihren engagierten Mitarbeitern wird die BMW Group auch in Zukunft ihre Führungsrolle im Premiumsegment ausbauen und ihren langfristigen Erfolgskurs fortsetzen." Doch für die Einarbeitung bleibt dem neuen Vorstandschef wenig Zeit. Schon zur Automobilmesse IAA im September in Frankfurt wird eine neue Strategie erwartet, die BMW auf den Wandel in der Mobilität vorbereiten soll.

Allen Herstellern drohen ab 2022 empfindliche Geldbußen, wenn sie die Klimaziele reißen. Der Investmentberater Evercore ISI hat für BMW auf Grundlage des Absatzes von 2018 potenzielle Strafen von 2,7 Milliarden Euro errechnet. Auf etwa genauso viel kamen die Analysten für den Erzrivalen Daimler. Da die Verkaufszahlen elektrifizierter Autos steigen, halten Experten niedrigere Strafen für möglich. Dennoch sind hohe Investitionen nötig, um die Vorgaben zu erfüllen.

Engere Partnerschaften

Zipse soll zudem die von BMW eingegangenen Partnerschaften vorantreiben – allen voran die mit Daimler bei selbstfahrenden Autos und Mobilitätsdiensten. Wegen der hohen Investitionen in die neuen Trends der Autobranche sind die Hersteller immer mehr auf Kooperationen angewiesen, um die Kosten für Neuentwicklungen zu teilten. Die Münchner arbeiten mit dem Chiphersteller Intel, Fiat Chrysler und anderen zusammen. VW und Ford hatten kürzlich ihre Zusammenarbeit auf autonomes Fahren und Elektroautos ausgeweitet.

Mit Spannung wird erwartet, ob Zipse an der von Krüger propagierten "Technologie-Offenheit" festhält. Danach hält sich BMW alle Optionen für künftige Antriebe offen – vom saubereren Verbrennungsmotor über Hybridautos bis zu reinen Stromern und Wasserstoff als Treibstoff der Zukunft. Die deutschen Autobauer hatten im Frühjahr tagelang über eine gemeinsame Linie für eine stärkere Förderung der Elektromobilität gestritten. Volkswagen hatte sich dafür eingesetzt, alle Kräfte für den Durchbruch des Elektroantriebs zu bündeln. (Reuters, dpa, ung, 19.7.2019)