"Kurier"-Herausgeber Brandstätter schreibt über Kurz' Interventionen
Schweigen zu kolportierter Kandidatur für Neos – Interventionsvorwürfe an ÖVP-Chef und sein Team
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"Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter (64) hat ein Buch über Sebastian Kurz und Herbert Kickl und ihren Umgang mit Medien geschrieben. Es liest sich nicht so, als ob Brandstätter noch lange "Kurier"-Herausgeber bleiben würde.
Brandstätter beschreibt in "Kurz & Kickl – Ihr Spiel mit Macht und Angst" (Kremayr & Scheriau) Interventionen insbesondere von Kurz und seinem Kommunikationsteam beim "Kurier" und lässt durchklingen, dass der ÖVP-Chef und damalige Bundeskanzler zu Brandstätters rascher und vorzeitiger Ablöse als Chefredakteur der Tageszeitung 2018 wesentlich beigetragen habe. Martina Salomon führt die Zeitung seither als Chefredakteurin, als Mitglied der Chefredaktion* kam der frühere ORF-Manager Richard Grasl. Die Mehrheitsanteile am "Kurier" hält die mit der ÖVP eng verzahnte Raiffeisen-Gruppe.
Kein Kommentar zu Neos-Engagement
Die Abrechnung kommt zeitgerecht: Seit Wochen wird Brandstätter als prominenter Überraschungskandidat der Neos für die Nationalratswahl gehandelt. Lange verneinten das Brandstätter sowie die pinke Partei entschieden, am Freitag gab es jedenfalls kein klares Dementi mehr. Kommende Woche dürfte die offizielle Entscheidung darüber fallen.
Brandstätter am Freitag auf STANDARD-Anfrage zur Kandidatur: "Ich bin auf Urlaub, nachdem ich hart an meinem Buch gearbeitet habe. Ich weiß schon, dass die Message-Controller nicht über die Inhalte reden wollen, sondern über Gerüchte. Ich will aber nicht." Er verabschiedet sich "bis nächste Woche". Nachsatz: "Ab Dienstag arbeite ich wieder, beim 'Kurier'."
"Message-Controller"
"Message-Controller" meint Kurz und sein Kommunikationsteam, insbesondere Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann. Ihnen wirft Brandstätter in seinem Buch "penetrante Interventionen" bei und "brutalen" Druck auf Medien und Journalisten vor.
Sollte Brandstätter zu den Neos gehen und auf einen Ministerjob in einer nächsten Koalition mit der ÖVP spekulieren – Brandstätters Buch dürfte solche Perspektiven doch ein wenig trüben.
DER STANDARD konfrontierte Pressesprecher Frischmann mit den Vorwürfen. Die Reaktion: "Bücher eines Kandidaten der Neos sowie persönliche Aufarbeitungen und Vorwürfe von Herrn Brandstätter kommentieren wir nicht."
Brandstätters Interventions-Beispiele in "Kurz & Kickl"
"Besonders brutal"
Pröll zurückpfeifen
Sebastian Kurz habe Erwin Pröll telefonisch Ende Jänner 2018 aufgefordert, Aussagen in einem Interview mit Schau TV des "Kurier" zur Liederbuchaffäre zurückzunehmen (nachdem das schon Wolfgang Sobotka versucht hatte). Pröll sprach von der "gemeinsamen Aufgabe der türkis-blauen Bundesregierung, sich von Schatten der Vergangenheit zu befreien". "Da kann sich der Bundeskanzler genauso wenig wie der Vizekanzler aus der Verantwortung stehlen." Es gebe "in der jetzigen Phase ein Mondfenster, wo es gelingen kann, die Schatten der Vergangenheit abzuwerfen und ohne Ballast in die Zukunft zu gehen, wenn hier klare Schritte gesetzt werden."
"Wunsch, kontrollieren zu können"
Brandstätter schreibt über den "ausgeprägten Wunsch, alles, was über ihn berichtet wurde, kontrollieren zu können". Etwa: "… wenn er aber auf Langstrecke Businessclass fliegt, was ihm bei seiner Funktion und seinem Arbeitspensum durchaus zusteht und auch vorkommt, darf das nicht verbreitet werden."
Wenn der Kanzler zweimal klingelt
Journalisten zum Zweck
"Ja, die rufe ich auch an"
"Penetrante Interventionen"
"So werden Exempel statuiert"
"Mit Inseraten verwöhnt"
Medien kaufen – wie früher
"Kurier"-Redakteursausschuss verlangt Aufklärung
Der Redakteursausschuss des "Kurier" berichtete per internem Rundmail am Freitag, er habe bisher von Brandstätter keine Stellungnahme über ein Neos-Engagement des Herausgebers bekommen. Philipp Wilhelmer, stellvertretender Ressortleiter Kultur/Medien, mailte darauf in die Runde**: "Es ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass sich unser oberster Journalist nicht auf eine Art exponiert, die unserer und seiner Glaubwürdigkeit schaden würde." Den Redakteursvertretern antwortete Brandstätter bis dahin nur, er kommentiere keine Gerüchte.
ORF-"Report", N-TV, Puls 4, PR-Agentur, "Kurier"
Helmut Brandstätter, geboren 1955, studierte in den 1970ern Jus an der Uni Wien. Von 1977 bis 1979 war er für die der ÖVP nahestehenden Studentenunion Vorsitzender der Hochschülerschaft. Ab 1982 arbeitete er für den ORF, als Korrespondent etwa in Bonn und Brüssel. 1995 startete und leitete er den "Report". 1997 bis 2003, als RTL den Sender übernahm, leitete er den deutschen Nachrichtenkanal N-TV.
2003 bis 2005 war Brandstätter Geschäftsführer des Wiener Stadtsenders Puls TV und Moderator der "Austria Top News" auf Pro Sieben Österreich. 2005 gründete er seine eigene Kommunikations- und Beratungsagentur, 2010 verkaufte er sie Wolfgang Rosam. Ab August 2010 und bis September 2018 war er Chefredakteur des "Kurier". Im August 2013 wurde er zudem Herausgeber der Zeitung, der Vertrag als Herausgeber soll bis Sommer 2020 abgeschlossen sein.
Brandstätters Frau Patricia Pawlicki moderiert im ORF das "Hohe Haus". Im ORF wird schon diskutiert, ob Pawlicki weiterhin das Parlamentsmagazin präsentieren kann, sollte Brandstätter Abgeordneter im Nationalrat werden. (fid, 20.7.2019)
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