Georg Emprechtinger: "Holz hält ewig. Ich kann es reparieren, Kratzer und Dellen ausbessern, es hat Patina und Geschichte."

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Zurück von einer Reise zum Flagship-Store am Broadway in New York, setzt sich Georg Emprechtinger im Innviertel am liebsten auf den Traktor und arbeitet im Wald. In fünf Jahren will er seinen Sohn ans Steuer des Möbelherstellers Team 7 lassen. Von Venture-Capital hält er wenig. Kunden lässt er spüren, dass Holz lebt.

STANDARD: Schrauben Sie bei sich zu Hause auch Billy-Regale von Ikea zusammen?

Emprechtinger: Als Student schon, aber jetzt schon lange nicht mehr. Aber ich krieg das noch hin, manchmal fehlt da halt ein Trum. Handwerk an sich ist mir ja nicht fremd. Ich bin in einem Sägewerk und auf einem Bauernhof aufgewachsen. Da lernt man schon von Kindesbeinen an anzupacken.

STANDARD: Bei Team 7 kommt alles aus einer Hand. Sie produzieren nach Maß und nur nach Bestellung. Das hat seinen Preis. Wie viele Menschen können sich Naturholzmöbel um tausende Euro leisten?

Emprechtinger: Als Student hätte ich es mir nicht leisten können, später wollte ich es mir leisten, ein Bett etwa. Ich bin kein Wegwerftyp. Es war nicht das günstigste, aber preiswert im Sinne seiner Nutzungsdauer. Holz ist ein fantastisches Material und hält ewig. Ich kann es reparieren, Kratzer und Dellen selbst ausbessern, es auffrischen, es hat Patina und Geschichte. Man streicht drüber und spürt, wie es lebt. Es geht hier für mich auch um eine Lebenshaltung.

Er wuchs in einem Sägewerk auf. Es zog ihn auf die Uni und nach Kanada. 1999 übernahm Georg Emprechtinger die Geschäftsführung von Team 7.

STANDARD: Sie versprechen, dass Ihre Möbel so lange halten, wie das Holz braucht, um für sie zu wachsen. Wie passt das in eine Welt des immer schnelleren Konsums?

Emprechtinger: Es passt gar nicht hinein. Es ist die Gegenposition zum Wegschmeißen. Reparieren hieß bei meinen Eltern: kein Ersatzteil kaufen, sondern es mit Bestehendem hinbiegen, sodass es wieder funktioniert. Bei Elektrogeräten ist es ja heute zum Teil vorgesehen, dass sie nach der Garantiezeit kaputtgehen. Eine extreme Frechheit und Fehlentwicklung unserer Gesellschaft. Welche Geisteshaltung verbirgt sich dahinter, wenn nur Umsatz zählt? Vielen ist das Problem bewusst. Die Bereitschaft, was zu verändern, hält sich aber in Grenzen,

STANDARD: Sie waren, wie Sie einmal selbst sagten, ein Saglerbua aus Lohnsburg. Wollte der damals schon Unternehmer werden?

Emprechtinger: Nein, auch nicht Feuerwehrmann oder Pilot. Ich erinnere mich, dass ich stundenlang bei uns am Bach gesessen bin, dem Wasser, den Fischen zugeschaut habe. Was habe ich eigentlich gemacht? Ich glaube, ich war da mit mir ziemlich im Reinen.

STANDARD: Das Sägewerk Ihrer Eltern weiterzuführen hat Sie nie gereizt?

Emprechtinger: Es war ein kleiner Gewerbebetrieb mit ein paar Mitarbeitern. Ich hätte es irgendwie geschafft, damit zu überleben. Aber es war damals schon absehbar, dass es wirtschaftlich sehr schwierig wird – auch wenn mein Vater das anders sah. Ich habe immer hart mitgearbeitet, Holz geschleppt, geschnitten. Und für meinen Vater war klar, dass ich den Betrieb übernehme, ohne dass er das mit mir besprochen hätte. Weil das immer so war bei uns in der Familie. Wir beide hatten kein ganz einfaches Verhältnis, was mich zusätzlich bewog, eigene Wege zu gehen. Ich wollte raus aus dem kleinen Dorf und studieren, ich ging nach Toronto, habe Schritt für Schritt die Welt entdeckt, und das hat mich fasziniert. Ich hätte mich schwer einbremsen lassen. Heute ist die Säge ein Getränkegroßhandel und dank meiner Schwester in guten Händen.

STANDARD: Wollten Sie in Kanada bleiben?

Emprechtinger: Kanada ist groß: viel Natur, wenig Menschen. Ich habe dieses Land immer bewundert. Die Option, dort länger zu bleiben, war da, ich hatte ein sehr gutes Jobangebot. Aber um ganz auszuwandern, dafür liebe ich Österreich zu sehr. Der Hauptgrund für die Rückkehr war meine Frau, die übrigens in Kanada geboren ist.

Kanadisches Ahornholz für Steinway auf dem Prüfstand: Der Instrumentenbau sei die Formel 1 der Holzbranche, sagt Georg Emprechtinger.

STANDARD: Was Sie zudem mit Kanada verbindet, ist kanadischer Ahorn. Team 7 fertigt daraus für Steinway den Korpus der Klavierflügel. Was bringt das Holz so zum Klingen?

Emprechtinger: Das wird sicher auch ein bisserl das Geheimnis von Steinway sein, zumal jeder Flügel seinen eigenen Charakter hat. Der Instrumentenbau ist die Formel 1 der Holzbranche. Die Anforderungen dafür sind extrem hoch. Seit 15 Jahren kommt das Holz eines Steinway mehrheitlich von uns.

STANDARD: Sie kamen vor 20 Jahren als Geschäftsführer zu Team 7, ehe Sie den Betrieb vom Gründer übernahmen. Hatten Sie mitunter Angst, sich finanziell zu überheben?

Emprechtinger: Viele wirtschaftlich versierte Leute haben mich gefragt, ob ich spinne. Ich solle doch lieber schauen, dass ich als Angestellter mehr verdiene. Ich sah das anders. Natürlich war es riskant, aber ich war mir sicher, es zu schaffen. Ich bin kein Träumer, auch nicht risikofreudig. Im Zweifel mache ich etwas nicht. Aber ich war lange Geschäftsführer, das in einer schwierigen Situation. Ich kannte die Mitarbeiter, die Kunden und Banken. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Und ich wollte selbstständig sein. Außerdem schlafe ich fast immer gut, das ist meine Stärke.

STANDARD: Aber es gab auch Momente, wo Sie alles hinschmeißen wollten.

Emprechtinger: Ich glaube, es brauchte eine Auseinandersetzung. Für den Gründer, der sein Lebenswerk aufgibt, ist es ein Abnabelungsprozess, für mich vielschichtig und ein großes finanzielles Risiko. Das ist nicht wie Wurstsemmelkaufen. Man trifft sich finanziell nicht, Anwälte kommen hinzu. Es gab einen Punkt, wo mir klar wurde: Das wird nichts mehr. Nur links unten tief im Bauch glaubte ich noch dran. Für Venture-Capital-Deals hätte ich mich für noch so viel Geld nie hergegeben. Ich bin nicht käuflich. Am Ende fanden wir zwei eine einfache Lösung.

Ein Drittel der Beschäftigten in der Produktion in Pram sind Frauen. Österreich braucht auch mehr Zuzug von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland ins Innviertel, ist Georg Emprechtinger überzeugt.

STANDARD: Viele Möbelbauer in Österreich und Deutschland gingen pleite, gaben auf, sperrten zu. Stand Team 7 jemals auf der Kippe?

Emprechtinger: Nein. Anfang der 80er-Jahre wurde mit Biomöbeln der Grundstock gelegt. Aber später gingen Umsätze und Ertrag zurück. Die Frage, die wir uns stellten: Sollten wir die Italiener links überholen, mit coolem Design und lackierten Möbeln? Oder Bio treu bleiben? War Bio überhaupt noch gefragt? Wir entschieden uns für unsere Wurzeln – kein Lack, keine Spanplatten -, öffneten uns aber für Designer und innovative Technik. Die Ur-Biozeit wollte das eigentlich nicht, alles musste ein bisserl selbstgestrickt aussehen. Holz quillt und schwindet, es nimmt Feuchtigkeit, Gerüche auf und gibt sie wieder ab. Wir konnten durch unsere Ingenieursleistung die Anwendungsmöglichkeiten von Holz vorantreiben.

STANDARD: Was würde Ihnen die Produktion in Österreich mittlerweile erleichtern?

Emprechtinger: Flexible Arbeitszeiten sind ein Muss, denn wir müssen bei Aufträgen Höhen und Tiefen aussteuern. Die Zwölf-Stunden-Regelung wurde torpediert und kollektivvertraglich verwässert. Das macht es international nicht leichter. Die Lohnnebenkosten sind bald die Lohnhauptkosten. Und es braucht mehr qualifizierte Leute. Wir strengen uns hier sehr an, gehen in Schulen, versuchen, Mädchen zu begeistern. Wir haben sehr gute Tischlerinnen. Es geht aber auch um Jobs rund um CNC-Technik, Programmieren, Design, Engineering. Für die Software-Entwicklung fanden wir eine iranische Informatikerin. Es ist mehr qualifizierter Zuzug aus dem Ausland nötig, auch zu uns ins Innviertel. Österreich kann diesen Bedarf selbst nicht decken. Es gibt den demografischen Knick, und wir kämpfen um Handwerker. Ihr Image ist völlig zu Unrecht nicht mit jenen gleichgestellt, die studieren.

Team-7-Chef Georg Emprechtinger zählt in Österreich an zwei Standorten mehr als 700 Mitarbeiter.
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STANDARD: Im Einrichtungsgeschäft diktieren Handelsriesen die Regeln. Wie entkommt Ihre Branche der Umklammerung aus Zulieferindustrie, mächtigen Einkaufsverbänden und wenigen dominanten Möbelketten?

Emprechtinger: Es ist eng. Hinter Handel wie Zulieferindustrie stehen Milliardenkonzerne. Dazwischen sind Möbelhersteller mit zehn, 20, in unserem Fall 100 Millionen Euro Umsatz. Was in Relation zu den Machtblöcken immer noch klein ist. Unser Vorteil ist, dass wir eine starke Marke haben. Das ist sehr selten.

STANDARD: Warum hat es die Möbelindustrie verschlafen, eigene Marken aufzubauen?

Emprechtinger: Die Gründe dafür muss man in den 60er- und 70er- Jahren suchen. Einkaufsverbände übernahmen die Vermarktung, was bequem war. Die Arbeitsteilung war verlockend, führte aber dazu, dass die Händler in Osteuropa und Asien Lieferanten fanden, die es billiger gaben. Da kam die Preisschraube. Wir selbst haben elf eigene Geschäfte. Damit sind wir nicht vom Kunden abgeschnitten. Wir müssen nicht das tun, was uns andere erzählen.

STANDARD: Möbelketten überschlagen sich mit Rabatten von bis zu 70 Prozent. Werden hier Konsumenten hinters Licht geführt?

Emprechtinger: Man muss schon naiv sein, um zu glauben, man bekommt wirklich 70 Prozent. Das sind Mondpreise, da wird den Kunden etwas vorgegaukelt. Ein Unternehmer erzielt im besten Fall ein paar Prozent Gewinn und kann in der Regel nur mehr geben, wenn er es vorher reinrechnet. Durch die Digitalisierung ändert sich jedoch das Konsumverhalten. Der Kunde vergleicht online Preise, wird mündiger. Ihm hohe Rabatte vorzugaukeln wird schwieriger.

STANDARD: Team 7 ist seit kurzem auf dem Broadway vertreten. Rechnet sich das?

Emprechtinger: Ein internationaler Händler aus New York wollte uns. Aber bis in einem neuen Markt alles rund läuft, dauert es natürlich.

Unternehmersein sei Berufung, sagt Emprechtinger. Doch er habe viel Zeit in die Firma investiert, auch als seine Kinder klein waren. "Man ist jung und hungrig. Heute würde ich einiges anders machen."
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STANDARD: Ihr Sohn ist 28, arbeitet derzeit für McKinsey und ist als Ihr Nachfolger vorgesehen. Woher wissen Sie, wann der richtige Zeitpunkt für die Übergabe ist?

Emprechtinger: Bloß nicht warten, bis man keine Lust mehr drauf hat. Es gibt ja biologische Erfahrungswerte und so was wie ein Pensionsalter. Ich habe mit meiner Familie abgestimmt, dass ich mich mit 65 operativ zurückziehe. Ich habe meinem Sohn sein Leben nie vorgeschrieben – dass er als Nachfolger einsteigen will, freut mich wirklich. Er ist da sehr fit, bringt neue Sichtweisen rein, eine Verjüngung tut uns gut. Es braucht einen gesunden Mix aus Älteren und Jüngeren. Es ist mir aber bewusst, dass es viele Fallstricke gibt. Zu oft geht was schief und wird blauäugig agiert. Letztlich ist es die Königsdisziplin eines Unternehmens, dafür zu sorgen, dass die Nachfolge klappt. Ich habe viel Zeit in den Betrieb investiert, auch als meine Kinder noch klein waren. Man ist jung und hungrig. Und zu Recht höre ich das heute noch als Vorwurf. Ich würde rückblickend sicher einiges anders machen. Dennoch ist Unternehmer zu sein meine Berufung, ich liebe es mit all seinen Schattenseiten. Und es ist okay, mit eigenem Geld geradezustehen, bis dahin, dass man pleite- und vor die Hunde gehen kann. Aber das ist das wirkliche Leben. Gestalten können, Werthaltungen umsetzen. Ich würde nie einen faulen Kompromiss machen.

STANDARD: Kennt Ihr Sohn eigentlich schon die geheime Rezeptur für das Öl, mit dem Sie Ihre Möbel behandeln?

Emprechtinger: Nein, noch nicht. Das erfährt er dann bei der Übergabe. (lacht) (Verena Kainrath, 21.7.2019)