Vom Automatenfoto zum Kunstwerk: Mischtechnik ("Face Farces" von Arnulf Rainer aus dem Jahr 1969

Foto: Galerie Ruberl, Arnulf Rainer

"Mousquetaire et nu debout": Die lavierte Tuschzeichnung schuf Picasso am 14. Juli 1972

2019 / Galerie Française

Sommerpause, derlei kennt der Kunsthandel in Österreich kaum noch. Urlaubssperren sind mittlerweile eher eine Ausnahme als die Norm. Lediglich die Auktionsbranche geht es ruhiger an, zumindest vordergründig. Denn hinter den Kulissen wird eifrig für die Herbstsaison akquiriert, und es laufen erste Vorbereitungen für Katalog publikationen. Restauratoren und Rahmenmacher gehören jenen Berufsgruppen an, die sich, aus der Sicht der Auftraggeber, in dieser Zeit bitte nur Kurzurlaube leisten sollen, Transporteuren ist faktisch nicht einmal das gegönnt.

Der heimische Kunstmarkt läuft längst im Ganzjahresmodus. Und dazu gehört auch, dass Messeveranstalter und Vertreter des Kunsthandels ihre Aktivitäten zeitnah zu den Salzburger Festspielen an die Salzach verlagern. Dann ist die Dichte der internationalen und oftmals gut situierten Gästeschar, die zur Kernzielgruppe des Kunsthandels gehört, besonders hoch.

Ein Feld, das über Jahrzehnte den lokal angesiedelten Galeristen und ihrem zeitgenössischen Kunstprogramm vorbehalten blieb. Die erste klassische Kunstmesse fand 2007 statt, seither wechselten die Veranstalter, formierten sich Händlerfraktionen und etablierten sich von 2015 an schließlich zwei Formate: der Kunstsalon Art Salzburg (3.–25. August) in der Sala Terrena der Universität Salzburg und die Art & Antique (10.–18. August) im Innenhof der ehemals erzbischöflichen Residenz.

Mit der Salzburg International ArtFair, kurz SIAF (10.–18. August), feiert heuer zusätzlich ein dritter Event seine Premiere, und zwar an einem eher ungewöhnlichen Standort: am Flughafen Salzburg, im Terminal 2, der aufgrund der niedrigen Auslastung abseits der Wintersaison für Events vermietet wird.

Kunst ab Terminal

Er habe durchaus hinterfragt, ob er sich den heurigen Sommer damit gewissermaßen "versauen" soll, gesteht Organisator Wolfgang Pelz ein, und sich dann doch dazu entschlossen. In Salzburg ist er kein Unbekannter, veranstaltete er doch einige Jahre (bis 2014) die Art Salzburg. Aus dieser Zeit weiß er auch um Probleme, mit denen potenzielle Kunstkäufer und Messebesucher zur Festspielzeit zu kämpfen haben, sofern sie nicht in der Innenstadt logieren. Sieht man von den Touristenmassen ab, waren notorisch überfüllte Parkhäuser die größte Herausforderung – vor allem für all jene Tagesgäste, die mit dem Pkw aus dem Umland kamen. Manch einer, erzählt Pelz, sei dann unverrichteter Dinge wieder umgekehrt.

"Seine" neue Location punktet dagegen nicht nur mit öffentlicher Verkehrsanbindung, sondern vor allem mit 4000 Parkplätzen. Stammkunden der Aussteller bekommen ihr Parkticket sogar vorab. Zusätzlich konnte er Audi als Kooperationspartner für einen Shuttledienst gewinnen, und Red Bull wird vor Ort eine Bar betreiben. Letzteres werden ihm die 30 Galerien und deren Entourage wohl besonders danken, um, nüchtern betrachtet, jene Phasen zu überbrücken, in denen Besucher womöglich ausbleiben.

Pelz übt sich präventiv in Optimismus. Der Schwerpunkt der auf 3000 Quadratmetern feilgebotenen Ware wird auf zeitgenössischer Kunst liegen. Mit von der Partie sind etwa die Galerien Kandlhofer, Krinzinger oder Mauroner, weiters Johannes Faber, der neben seinem klassischen Fotoprogramm zusätzlich Arbeiten von Franz West oder Roberto Longo bereithält. Zuletzt war Faber Teil jener Gruppe von Kunsthändlern, die die Sala Terrena der Universität Salzburg mit einer kuratierten Gemeinschaftsausstellung bespielten.

Übermalungen

Zu den dort verbliebenen "Salonisten" gehören Wienerroither & Kohlbacher, Thomas Salis, Beck & Eggeling sowie die Galerie Ruberl. Letztere widmet Arnulf Rainer anlässlich seines 90. Geburtstags eine Solo-Show mit kontemplativ monochromen und dynamisch gestischen Werken, begleitet von Arbeiten der Serien Face Farces oder Body Poses der 1970er-Jahre.

Zu den Highlights gehört die Übermalung einer fotografischen Selbstdarstellung aus dem Jahr 1969, der eine der frühesten Aufnahmen aus einer Fotokabine am Wiener Westbahnhof zugrunde liegt. Diese Mischtechnik genießt allein wegen ihres Großformats Raritätenstatus, und das hat seinen Preis, konkret gesprochen 350.000 Euro.

Der angrenzende Innenhof Dietrichsruh, der alljährlich zu einem Skulpturengarten umfunktioniert wird, ist heuer Arbeiten des Bildhauers Hans Kupelwieser vorbehalten, darunter eine Skulptur in charakteristischem Knitterdesign aus poliertem Edelstahl, die ihre jeweilige Umgebung spiegelt und damit fotografische Moment aufnahmen generiert, im aktuellen Fall inklusive Renaissancearchi tektur.

Alexandra die Große

Wenige Gehminuten entfernt werden zehn Kunsthändler in einem klimatisierten Zelt ihr temporäres Quartier im Innenhof der Residenz beziehen. Bei der Art & Antique steht das traditionelle Prinzip von Einzelpräsentationen auf dem Programm, aus dem sich eine vom Publikum geschätzte Crossover-Darbietung ergibt.

Analog zum diesjährigen Programm der Salzburger Festspiele, die Empathie für die Mythen der Antike wecken wollen, bekommen hier auch passende Artefakte eine Bühne. Beim Kunsthaus Wiesinger trifft man auf den antiken Helden Theseus, den Georges Braque 1931 im Streitwagen verewigte. Bei Christoph Bacher (Archäologie Ancien Art) buhlt indes eine Bronzestatuette der Venus (2. Jh. n. Chr.) um die Gunst potenzieller Klientel: In der linken Hand hält sie mit spitzen Fingern den Apfel der Zwietracht, der bekanntlich zum Ausbruch des Trojanischen Kriegs beitrug, während ihr der Spiegel in der rechten, als weiteres charakteristisches Attribut, schon vor Jahrhunderten abhanden kam.

Zu den Besonderheiten in Bachers Angebot gehört weiters eine römische Marmorbüste (2. Jh. n. Chr.), die Alexander den Großen als Hermaphroditen mit Brüsten darstellt. Auf ähnliche Verführungskünste, wenngleich mit prallerer Ausstattung, setzte wohl jener Nackedei, der von einem Musketier – und auch seinem vierbeinigen Begleiter – beäugt wird: Die lavierte Tuschzeichnung von Pablo Picasso aus dem Jahr 1972 wird von Gérard Schneider (Galerie Française, München) offeriert. Eine beson dere Trouvaille (205.000 Euro) insofern, als Picasso sie an einem hierzu lande nahezu denkwürdigen Tag mit flottem Pinselstrich auf Bütten schuf: am 14. Juli, dem Geburtstag des "Nationalheiligen" Gustav Klimt. (Olga Kronsteiner, 20.7.2019)