Ein Karikaturist hat es heutzutage nicht leicht – oder doch?

Foto: Oliver Schopf

In der Welt der sozialen Medien regt man sich gerade über Karikaturen auf. Auf österreichischen Kanälen über die Tatsache, dass sie, nicht immer geschmackssicher, den gerade anlaufenden Wahlkampf kolorieren – und international über die Tatsache, dass sie die New York Times gar nicht mehr bringen will.

Verfolgt man den Ton und die Hartnäckigkeit der Argumente, könnte man glauben, es gehe mindestens um die globale Klimaerwärmung oder um einen Krieg – und nicht um ein paar Striche in Zeitungen oder im Netz.

Es sind aber auch Kulturkriege, die ausgefochten werden. Gestritten wird darüber, was erlaubt ist und was nicht, wo es beleidigend wird und daher nicht mehr lustig ist oder erst recht und warum.

Komplizierte Zeichen-Welt

Eigentlich sollen Karikaturen, das ist der Wortsinn, be- oder überladen oder übertreiben. Wenn sie uns zum Lachen bringen, umso besser, dann betrachten wir sie mit Freude, wir merken sie uns, und das Ziel der Attacke wird auch noch lächerlich gemacht. Win-win. Das wäre der Idealfall. Aber, wie ein Politiker, Ziel zahlreicher Karikaturen, einmal gesagt hat: Es ist alles sehr kompliziert. So auch die Zeichen-Welt.

Zum Beispiel diese Karikatur, welche die Liste-Jetzt-Plattform zackzack.at vor kurzem veröffentlicht hat. Sie zeigt Hans Peter Haselsteiner mit einer Wurst an einer Angel, nach der Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger lechzt, und zwar als Dackeldame, unattraktiv gezeichnet (auch Haselsteiner kommt nicht gut weg). Die Botschaft war klar: Die Neos lechzen nach den großen Spenden. Die Liste Jetzt, die die Zeichnung naturgemäß "genial" fand, will das verhindern. Der Rest war vorherzusehen, die Neos wollten die Karikatur gelöscht wissen, die Jetzt-Leute riefen Zensur!, im Parlament sorgten Überlegungen, wer von wem wie angefüttert wird oder sich vielleicht doch mit Salatblättchen begnügt, für viel Amüsement. Danach führte Peter Pilz vor Journalisten ein kleines Kasperltheater mit Dackelfigur und Wurstkranz auf. So gesehen war es ein gut eingefädeltes multimediales Politkabarett.

Giftige Schwammerln

Es war und ist auch ein Beispiel dafür, wie die Grenzen des Erlaubten herumgeschoben werden. Die einen warnen davor, dass ein Verbot satirischer Darstellungen drohe, sie verweisen auf die Meinungsfreiheit, zum Beispiel auf Gerhard Haderer. Der habe, wie zackzack.at zeigt, vor Jahren den damaligen Kanzler Faymann ebenfalls als Dackel dargestellt, der willig die Kronen Zeitung apportiert und dafür gestreichelt wird, vermutlich vom alten Dichand. Das sei doch ein weiteres Beispiel für gelungenes Karikieren. Mitnichten, sagen die Gegner, Menschen als Tiere darzustellen, das gehe nun wirklich nicht.

Peter Pilz, den Austeiler, hat es im Vorjahr selbst erwischt. Die Grünen, denen er untreu geworden war, verfremdeten ihn, nicht einmal zu einem Wirbeltier, sondern zu einem Fliegenpilz, der unwirsch im Wald steht; das heißt, er steht gar nicht als Männlein auf einem Bein, man sieht nur seinen Kopf.

Sofort wurde die Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit FIPU fündig und wies auf Ähnlichkeiten mit Naziillustrationen hin. Sie hatten jüdische Gesichter nach Stürmer-Art als "Giftpilze" gezeigt. FIPU kommentierte, dass es in beiden Fällen um "dehumanisierende Schmähdarstellungen" gehe, die man in der politischen Kommunikation "den Rechten überlassen sollte". Dennoch ist es ein Unterschied, ob man Teile der Bevölkerung zu giftigen Elementen erklärt oder einen politischen Gegner kalauerhaft auf seinen Namen reduziert.

Sebastian Kurz als Nazioffizier

Problematischer ist wohl der ehrgeizige Versuch, den Film Schindlers Liste mit der österreichischen Innenpolitik und der Situation der Migranten zu einem Cartoon zu verbraten. Diesen Versuch hat der Karikaturist Karl Berger, der auch für die SPÖ-Website kontrast.at zeichnet, unternommen. Er hat Sebastian Kurz als Nazioffizier auftreten lassen, der gegenüber Schindler auf "die Gesetzeslage" pocht. Nun mag Kurz vieles sein, das man nicht mag. Aber ein verkappter Nazioffizier? Das ist Humor mit dem Dreschflegel. Er bedient genau die Stereo type, die Rechte gegenüber linker Kritik anwenden: dass diese gleich mit der Nazikeule daherkomme. Diese Art von Humor ist ungefähr so subtil und sinnvoll wie die Wahlbroschüren der Türkisen, die einst Christian Kern als Hammer-und-Sichel-Kommunisten darstellten.

Auch auf Bergers Zeichnungen folgten, wie hundert Amen aufs Gebet, die Hassreaktionen pro und kontra im Netz. Das war noch ein Sturm im österreichischen Wasserglas.

New York Times knickte ein

Einen weltweiten hingegen erlebte die New York Times, als sie in ihrer "global edition" eine Karikatur aus einer portugiesischen Zeitung abdruckte. Was man als legitime Karikierung, also Übertreibung einer tatsächlichen Situation, klassifizieren könnte, nämlich, dass Trump der Politik Benjamin Netanjahus zu Diensten ist, wird in der Tat problematisch, wenn der israelische Ministerpräsident als Blindenhund – übrigens schon wieder ein Dackel – den US-Präsidenten führt, der noch dazu eine jüdische Kopfbedeckung trägt. Die Times hätte sich der Diskussion stellen und auf den rationalen Kern verweisen oder auch nur sagen können, dass dies nichts weiter als die Meinung eines Zeichners von Expresso in Lissabon war. Stattdessen ist sie eingeknickt und druckt nun, ätsch!, überhaupt keine Cartoons mehr ab.

Karikaturen mit Tieren als Symbole für menschliche Eigenschaften wurden manchmal sogar begrüßt. Vor fast 200 Jahren beschimpften Gegner des US-Präsidentschaftskandidaten Andrew Jackson diesen als "Jackass", als Esel. Ihm gefiel das, und bald verwendeten Zeichner das Tier als affirmatives Symbol für die Partei. Der Karikaturist Thomas Nast verhalf einige Jahrzehnte später dem Elefanten zu der Ehre, das republikanische Wappentier darzustellen. Nast mochte auch drastische Schmähdarstellungen: Eingewanderte Iren waren in seinen Augen betrunkene Affen, Politiker, die er nicht mochte, wurden zu Vampiren mit Totenköpfen oder zu räuberischen Tigern, die ein Mädchen namens Republic totbissen.

Eine Frage der Zeit

Man war da nicht so zimperlich. Doch das kann sich ändern. Ob etwas publiziert oder tabuisiert wird, ist ja nicht nur eine Frage der Kultur, sondern auch der Zeit. Noch in den 70er-Jahren loteten Zeichner in den USA die Grenzen der Redefreiheit radikal aus. Al Goldstein, Herausgeber eines Magazins mit dem bezeichnenden Titel Screw, kämpfte häufig vor Gericht dafür, so obszön zu agieren, wie er wollte. Es half seiner Causa nicht gerade, dass in seiner Publikation Bundesrichter beim Geschlechtsverkehr mit Tieren und Gemüse abgebildet wurden. Die meisten Prozesse gewann er zwar, ging schließlich aber pleite.

Das war 2004, und da hatte sich das Kräfteverhältnis zwischen freier Meinungsäußerung und Rücksichtnahme auf religiöse, ethnische, gendermäßige und sonstige Gefühle Betroffener bereits stark verschoben. Ein Jahr später zeigte sich das an einem Fall, der die Schwierigkeiten dieser Balance so deutlich veranschaulichte, als hätte man ihn dafür inszeniert. Die Mohammed-Karikaturen, die in der dänischen Jyllands-Posten erschienen waren, führten zu weltweiten Protesten vor allem, aber nicht nur in islamischen Staaten. Als danach vermutlich gefälschte Zeichnungen erschienen, die wieder den Propheten abbildeten (den man nach strenger Auslegung überhaupt nicht zeigen dürfte), noch dazu unter anderem mit einem Hund, war die Hölle los. Dänische und norwegische Botschaften wurden zerstört, mehr als 100 Menschen starben.

Mächtige Feder

Und die Medien, insbesondere die Zeichner? Die reagierten je nach Land und je nach Redaktion unterschiedlich. Am entschiedensten wehrten sich die Franzosen gegen ein Abbildungsverbot. Karikaturisten legten auf die angebliche oder tatsächliche Verletzung der Gefühle noch eins darauf und karikierten den Propheten munter weiter, wie sie auch Jesus, den Papst und politische Witzfiguren immer wieder verhöhnten. Es war die radikal laizistische Tradition, die man von Zeitschriften wie Harakiri und Charlie Hebdo gewohnt war. Letztere bezahlte ihre Haltung zehn Jahre später teuer. Bei einem Anschlag von Al-Kaida auf die Redaktion kamen zwölf Menschen ums Leben.

Die Feder ist offenbar manchmal mächtig genug, dass sie zum Schwert und zu Katastrophen führt, auch wenn sie das Gegenteil im Sinn hat. Daran sieht man erst, wie relativ harmlos die vor kurzem in Österreich erschienenen Zeichnungen und die Reaktionen auf sie sind. Es ist halt Sauregurkenzeit, und im Netz herrscht immer Aufregung über alles. Das Beleidigtsein von Leuten, die mindestens so gut austeilen wie einstecken können, das sollte man nicht überbewerten.

Man denke eher mitfühlend an Dackel und Tiger, Esel und Elefant, die Menschen verkörpern sollen. Wie kommen die armen Tiere dazu? (Michael Freund, 21.7.2019)