Einmal das Rotkäppchen gefressen und dann auch noch die sieben Geißlein angeknabbert – und schon ist das Image auf Lebzeiten dahin. Kaum ein Tier wurde in Österreich so brutal gejagt wie der Wolf. 1882 war das blutige Gemetzel vollendet, in der Steiermark erlosch das letzte Rudel der Tiere. Doch erstaunlicherweise kehrt der wilde Urahn des Hunds zurück. Aber erneut scheint die Flinte näher als der Artenschutz – und das edle Tier wird wieder auf ein Problem reduziert.

Wölfe kehren allmählich wieder nach Westeuropa zurück.
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In fast allen Nachbarländern gibt es seit Jahren kontinuierlich wachsende Populationen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der Wolf sich auch im heimischen Gehölz rudelwohl fühlt. Der Einmarsch der Raubtiere kam daher für Österreich nicht überraschend. Ebenso wenig überraschend ist, dass Meister Isegrim kein Vegetarier ist. Bei allem Verständnis für den Ärger der Nutztierhalter: Wenn dem Schaf der Pelz über die Ohren gezogen wurde, kann man es nicht dem Wolf zum Vorwurf machen. Es braucht wie immer im Zusammenleben klare Regeln. Und die Rahmenbedingungen für ein gedeihliches Miteinander muss die Politik vorgeben. Es fehlt ein klares Bekenntnis zum Artenschutz und ein entsprechendes Maßnahmenpaket, das Landwirte und Tierschützer gleichermaßen befriedet.

Das Aufheulen der Wildbiologen und deren Rufe nach Förderprogrammen für adäquate Schutzmaßnahmen wurden bisher in Österreich nicht erhört. Herdenschutzmaßnahmen kosten Geld, zeigen aber Wirkung. Wölfe sind die Opportunisten unter den Wildtieren: Da steht das ungeschützte Schaf schneller auf dem Speiseplan als die frei lebende Wildsau. Rechtlich möglich muss aber auch der Abschuss sein, wenn das Tier zur Gefahr für Menschen wird. Das Ziel ist nicht das wildbiologische Paradies. Aber irgendwo zwischen Kuscheltier-Fantasie und Rotkäppchen-Rache sollte man sich mittig einpendeln. (Markus Rohrhofer, 19.7.2019)