Er gilt als einer der Schlüsselkräfte beim Erfolg von Sebastian Kurz: Philip Maderthaner, der mit seinem Campaigning Bureau sämtliche Wahlkämpfe des ÖVP-Chefs und derzeitigen Altkanzlers bestreitet. Nun hat Maderthaners Campaigning Bureau auch den ORF auf seiner Kundenliste – für Dialog und Interaktion mit dem Publikum und damit den Gebührenzahlern.

"Sebastian Kurz für die Nationalratswahl 2019" steht noch nicht unter den Arbeitsproben auf der Website des Campaigning Bureau, aber die Vorzugsstimmenkampagne für Kurz 2013 und "Sebastian Kurz für die Nationalratswahl 2019", aber auch "MyAustria" für Austrian Airlines, "Unsere Landwirtschafft's" oder "Energiebewegung NIederösterreich".

Für das ORF-Popradio Ö3 hat Maderthaners Agentur auch schon einmal gearbeitet: "Vorsprung durch Charme und niedrigschwellige Interaktion" betitelt das Campaigning Bureau die Arbeit für die "Ö3-Höreraktivierung". Die Agentur half damals, für den "Club Ö3" eine neue Form zu finden ("Ö3 Dabei").

Arbeitsproben des nun auch für den ORF tätigen Campaigning Bureau auf dessen Website.
Foto: Campaigning Bureau Screenshot

"Der ORF hat schon vor einigen Jahren mit dem Campaigning Bureau gearbeitet, im Rahmen eines Ö3-Projekts", erklärt ORF-Kommunikations- und Marketingchef Martin Biedermann auf Anfrage.

Während die Agentur die aktuelle Zusammenarbeit nicht kommentieren will ("Das Campaigning Bureau äußert sich nicht zu laufenden Projekten."), bestätigt Biedermann: "Derzeit sind mit der Agentur einige Mikro-Kampagnen rund um Herbst-TV-Formate und ORF-Stars in Entwicklung. Ziel dieser stark zielgruppenorientierten Kampagnen sind unter anderem stärkere Interaktion und Dialog mit dem Publikum."

Da dürfte es etwa um Programme und Formate wie "Vorstadtweiber" und die Feuerwehrshow "Feuer und Flamme" mit Andi Knoll gehen – um "Mitmachsachen", sagt ein Micky-Maus-geprägter Kenner der Projekte, fachlicher um "Customer Engagement".

Seite an Seite mit den Gebührenrettern von Fehr Advice

Nach STANDARD-Infos engagierte der ORF das Campaigning Bureau Seite an Seite mit den Fehr Advice & Partners. Die Verhaltensökonomen um Berater Gerhard Fehr haben schon den Schweizer öffentlich-rechtlichen Rundfunk heil durch die Volksabstimmung über die Rundfunkgebühren gebracht.

  • *Update/Addendum: Fehr Advice arbeitet inzwischen auch für die SPÖ, wie die Beratungsfirma für Verhaltensökonomie dem STANDARD bestätigt: Anfang Juni 2019 hat Fehr Advice laut deren Auskunft "im Auftrag der SPÖ einen Basisworkshop zu Social Media Strategien und Kampagnen gestaltet. Inhaltlich ging es dabei – wie bei unseren anderen Klienten – ausschließlich um positive Kampagnenführung." Mit der Begleitung der laufenden Kampagne sei die Schweizer Social Media Agentur Digital Hub aus Zürich beauftragt. Digital Hub ist ein Unternehmen jener Schweizer Digital Media AG, die sich im Mai 2019 mit 50 Prozent an Magazin und Plattform "Miss" der Styria Media Group beteiligte. Die Styria ist auch an der Österreich-Niederlassung von Fehr Advice beteiligt.

Fehr Advice soll nun ähnlich auch den ORF im Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreich so positionieren, dass er eine Volksabstimmung gewinnen kann – ob sie nun kommt oder nicht.

Gerhard Fehrs Befund Ende März 2019 bei einem ersten Zwischenbericht seiner Arbeit für den ORF: 68 Prozent der Menschen in Österreich identifizierten sich mit dem ORF, 32 nicht. 80 Prozent der Bevölkerung müssten sich mit dem ORF identifizieren, um die "virtuelle Volksabstimmung" zu gewinnen, sagte Fehr damals.

Die erste Regierung von Kanzler Sebastian Kurz plante ein neues ORF-Gesetz. Eines der Ziele: Abschaffung der GIS-Gebühren und Finanzierung des ORF aus dem Staatsbudget. Vor allem die FPÖ betrieb den Abschied von den Rundfunkgebühren, die ÖVP und ihr Medienminister Gernot Blümel wirkten aber alles andere als abgeneigt. FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein erklärte erst im Juni in den "Salzburger Nachrichten", die Abschaffung der GIS sei zwischen ÖVP und FPÖ bereits paktiert gewesen, als #Ibiza-Gate die Koalition trennte.

ORF-Chef Alexander Wrabetz, Medienwissenschafter und etwa auch der bürgerliche Ex-ORF-Chefredakteur Werner Mück warnten vor einer Abschaffung der Gebühren. Finanzierung aus dem Staatsbudget bedeute weit höhere Abhängigkeit von der Politik.

Unabhängigkeit "fundamental problematisch"

Die Unabhängigkeit des ORF war einer der schwierigsten Punkte in der Publikumssicht, referierte Fehr im Frühjahr 2019: "Fundamental problematisch" fand er den Publikumsbefund zur Unabhängigkeit des ORF. "Die Österreicherinnen wollen einen unabhängigen ORF", heute aber sehen sie stets "die Politik dabei". Fehr: "Unabhängigkeit ist fundamental wichtig" für die Identifikation des Publikums. Nachsatz: "Das sagt nichts über die Qualität des Journalismus" – die werde durchaus hoch bewertet.

Die ÖVP-FPÖ-Regierung verwies im Gegenzug auf die Möglichkeiten mehrjähriger Finanzierungsgarantien, Fonds-Lösungen, unabhängiger Kontrollgremien wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten in Deutschland und verfassungsrechtlicher Absicherung. Das Bundesverfassungsgesetz Rundfunk aus 1974 verlangt die Unabhängigkeit des Rundfunks und seiner Organe – diese Bestimmung könnte auch für die Finanzierung des Rundfunks relevant sein.

Beim Campaigning Bureau soll man viel Wert darauf legen, dass die Agentur bei ihrer Arbeit für den ORF auf Programmformate und Bildschirmpersönlichkeiten konzentriert – die Gebühren spielten bei ihrer Tätigkeit keine Rolle.

Das Publikum identifiziert sich ohnehin weit mehr mit den Programmen des ORF als mit dem ORF – das ist ja auch eines der von Fehr herausgearbeiteten Probleme des Rundfunks. (fid, 21.7.2019)