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Ramush Haradinaj nach seiner Einvernahme vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Colmar, Jänner 2017.

Foto: AP/Jean-Francois Badias

Prishtina (Pristina) –Nach der Vorladung vor ein Sondergericht zur Ahndung von Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges ist Kosovos Regierungschef Ramush Haradinaj zurückgetreten. Er sei als Verdächtiger vor das Gericht in Den Haag vorgeladen worden, sagte er am Freitag. Als er vor der Wahl stand, dort als Regierungschef oder als "normaler Bürger des Kosovo" zu erscheinen, habe er sich für letzteres entschieden.

Während des Kosovo-Krieges in den Jahren 1998 und 1999 war Haradinaj Befehlshaber der Rebellenorganisation UCK. Die serbischen Behörden werfen ihm Verbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung während des Krieges vor.

Auch Krasniqi vorgeladen

Haradinaj ist nicht der einzige Spitzenfunktionär, der eine Vorladung des Sondergerichtes für Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges (1998-99) erhalten hat. Der frühere Parlamentspräsident Jakup Krasniqi (2007-2014) bestätigte in einer Aussendung am Samstag, dass er ebenfalls eine Vorladung erhalten habe.

Er werde in Den Haag am 24. Juli einvernommen werden, teilte Krasniqi, Spitzenfunktionär der mitregierenden Nisma (Initiative) von Fatmir Limaj, mit. Er gab allerdings nicht an, ob seine Einvernahme als Zeuge oder als Verdächtigter erfolgen soll. Während des Krieges war Krasniqi UCK-Sprecher.

Parlamentspräsident Kadri Veseli, Chef der mitregierenden Demokratischen Partei (PDK), gab auf Facebook unterdessen bekannt, dass eine Vorladung des Sondergerichtes auch der PDK-Chef in der zentral-kosovarischen Stadt Kline (serbisch: Klina), Sokol Bashota, erhalten habe. Bashota war ein lokaler UCK-Befehlshaber.

2008 und 2012 freigesprochen

Das UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien hatte Haradinaj 2008 und 2012 in zwei Prozessen freigesprochen. Die serbische Seite legt ihm allerdings andere Taten zur Last als diejenigen, um die es in den Prozessen in Den Haag ging.

Die Vorladung gegen Haradinaj erging nun vom 2015 in Den Haag eingerichteten Sondertribunal, das sich speziell mit Verbrechen befasst, die UCK-Mitglieder begangen haben sollen. Das Gericht hatte im Jänner 2019 mit Befragungen in Den Haag begonnen. Damals mussten die beiden früheren UCK-Vertreter Rrustem Mustafa-Remi und Sami Lushtaku erscheinen.

Weitere Anklagen erwartet

Kosovarische Medien berichten, dass womöglich noch im Jahresverlauf erste Anklagen erhoben werden. Es gibt Spekulationen, dass Haradinaj sowie Präsident Hashim Thaci und Parlamentspräsident Kadri Veseli angeklagt werden könnten. Haradinaj hatte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP zu Jahresbeginn zugesichert, dass der Kosovo allen Aufforderungen des Gerichts folgen werde.

Nach einem Treffen der Regierung am Freitag sagte Haradinaj, es liege nun in der Verantwortung des Präsidenten, Beratungen über einen Termin für Neuwahlen aufzunehmen. Er kündigte an, sich wieder zur Wahl zu stellen, "um das Vertrauen des Volks zu erhalten". Er sei nicht angeklagt, sondern werde von dem Gericht befragt.

Haradinaj war bereits von 2004 bis 2005 Regierungschef des Kosovo. Nach der Parlamentswahl im Jahr 2017 übernahm er dieses Amt erneut.

Das Kosovo hatte 2008 einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Serbien betrachtet das Kosovo dagegen nach wie vor als seine Provinz. Im Kosovo-Krieg waren mehr als 13.000 Menschen ums Leben gekommen. .(APA, AFP, 19.7.2019)