Eine fröhlich-freiheitliche Familie: Philippa und Heinz-Christian Strache sowie Norbert Hofer, dessen Nachfolger – als Parteiobmann

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Es beginnt wie eine Liebeserklärung. "Eine starke Frau mit einem großen Herz", lautet der erste Satz seines Facebook-Postings. Es folgt ein rotes Herzerl-Emoji. Dazu teilt er ein romantisches Foto seiner Frau. Sie lächelt verschmitzt in die Kamera, in der Hand hält sie einen Strauß pinke Rosen. Danach führt der Gatte aus, dass sich seine Angetraute immer für soziale Fairness und Gerechtigkeit einsetze. Schlusswort: "Am 29. September 2019 – Deine Vorzugsstimme für Philippa Strache."

Hinterzimmer-Deal

Ihr Mann Heinz-Christian hat in dem sozialen Netzwerk fast 800.000 Fans. In seiner aktiven Zeit war er damit der erfolgreichste österreichische Politiker auf Facebook. In der Öffentlichkeit kennt man Philippa durch ihre Beziehung mit dem früheren FPÖ-Chef. Im Herbst wird sie in den Nationalrat einziehen, er nicht.

Viele vermuten dahinter einen Tauschhandel. Strache trat nach dem berüchtigten Ibiza-Video zurück, ergatterte kurz darauf aber durch Vorzugsstimmen ein Mandat im EU-Parlament. In der Partei kam es gar nicht gut an, dass er damit liebäugelte, es auch anzunehmen. Schließlich wollten die Freiheitlichen den Ruch von Ibiza schnellstmöglich verwehen lassen. Eine Diskussion über Straches neuen Job in Brüssel war im anlaufenden Wahlkampf das Letzte, was man brauchen konnte.

Auf sein Mandat verzichtete Strache aber erst, als klar war, dass seine Frau einen sicheren Listenplatz für die Nationalratswahl bekommt. Selbst in der sonst recht unempfindlichen FPÖ rümpften da einige die Nase – der schmutzige Deal schien zu offensichtlich.

Man kann die Geschichte allerdings auch anders betrachten: Denn hinter den Kulissen wird schon seit Monaten gemunkelt, dass Philippa Strache aktiv in die Politik einsteigen will. Fest stand aber immer, dass sie nicht auf derselben politischen Ebene wie ihr Mann agieren kann. Daher hätte sie wohl als Gattin des blauen Vizekanzlers bei der Wien-Wahl 2020 kandidieren sollen. So wurde es in freiheitlichen Kreisen längst erzählt. Bloß in welcher Rolle, war noch unklar.

Durch die Ibiza-Affäre änderten sich die Verhältnisse von einem Tag auf den anderen – und Philippa Strache ergriff ihre Chance. Auch wenn der Abgang ihres Mannes und sein potenzielles EU-Mandat geholfen haben mögen, passt Philippa Strache doch ins Profil der FPÖ: Sie ist eine rechte Tierschützerin, eine gute Netzwerkerin, ein rhetorisches Talent und zudem telegen. "Es war logisch, dass sie irgendwann in der Politik endet", sagte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky in einem Fernsehinterview. Und vielleicht hat er recht.

Nepotismus oder Sexismus?

Haben wir es also mit einem klassischen Fall von Nepotismus zu tun? Oder spricht man hier einer jungen Frau womöglich ungerechtfertigt die Eignung für eine politische Funktion ab? Fest steht: Geschichten wie diese sind keine Seltenheit.

Grundsätzlich muss man zwischen drei Fällen von familiären Naheverhältnissen in der Politik unterscheiden. Erstens: Der Partner oder die Partnerin tritt während oder nach Ende der Karriere einer politischen Persönlichkeit in deren Fußstapfen. So ist es bei den Straches, so war es beispielsweise auch bei den Clintons – Hillary, Frau des früheren Präsidenten Bill, kandidierte 2016 gegen Donald Trump.

Zweitens: Zwei Menschen lernen einander in einer Partei oder durch die Politik kennen. Ein Beispiel sind der ÖVP-Politiker und EU-Kommissar Johannes Hahn und seine Lebensgefährtin Susanne Riess, einst Vizekanzlerin und Bundesobfrau der FPÖ. Drittens, und das ist die in Österreich wohl häufigste Kombination: Zwei Politiker sind blutsverwandt – Väter, Söhne, Töchter, Neffen, Enkel oder Cousinen.

Per se anrüchig ist an diesen Verhältnissen nichts. Aber nachdem sich die Österreicher nach dem Ersten Weltkrieg erfolgreich der K.u.k.-Monarchie entwöhnten, ist eine Mehrheit heute einig: Familienverhältnisse dürfen nicht darüber bestimmen, wer in Machtpositionen kommt. Freunderl- und Vetternwirtschaft – oder der bloße Anschein – sind verpönt. Zumindest in der Theorie.

Dadurch ist auch schwer zu sagen, wann für ambitionierte Familienmitglieder eines Spitzenfunktionärs der geeignete Zeitpunkt gekommen ist, selbst in die Politik einzusteigen. Oder soll ein Mensch etwa auf seinen Wunschberuf verzichten, weil er einen bekannten Nachnamen trägt?

Einer, der sich diese Frage stellen musste, ist Luca Kaiser. Der 25-jährige SPÖ-Politiker ist Sohn des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser – dem aktuell erfolgreichsten Sozialdemokraten des Landes. Im Herbst 2018 kam es zum Eklat in der SPÖ: Kaiser junior sollte statt auf Platz sechs plötzlich doch nur auf Platz neun der roten Bundesliste für die EU-Wahl kandidieren dürfen. Kaiser senior war so enttäuscht, dass er prompt trotzig mit seinem Rücktritt als Parteivize drohte. Schnell war für den Großteil der Öffentlichkeit klar, dass ein Vater hier mit all seiner Macht die Karriere seines Sohnes fördern wollte.

Hört man Luca Kaiser zu, ist die Wahrheit aber etwas komplizierter. Der Jungpolitiker hatte sich nach internen Vorwahlen in Kärnten und im Bund qualifiziert. Durch den parteieigenen Schlüssel für die Reihung der Bundesländer-Kandidaten wurde ihm daraufhin Platz sechs auf der Bundesliste zugesprochen. Kurz darauf tauchten alte, provokante Tweets von Kaiser junior auf, die vom Boulevard und Heinz-Christian Strache empört weiterverbreitet wurden. Plötzlich hatte sich die SPÖ "verrechnet", wie den Kärntnern aus Wien ausgerichtet wurde. Kaiser junior wurde drei Plätze zurückgereiht.

Mit Kanzlern abendessen

Da hätte sich vermutlich jeder starke Landeshauptmann gewehrt. Luca Kaiser sagt heute, dass es sein Vater definitiv schwerer hatte, parteiintern für den landeseigenen Kandidaten zu lobbyieren, weil dieser eben er, sein eigener Sohn, ist. Und: "Bei der SPÖ reagiert man intern wie extern wohl besonders allergisch auf Verwandtschaften, weil bei uns die Gleichheit aller ein zentraler Teil des Parteiverständnisses ist."

Momentan arbeitet Kaiser neben seinem Studium als parlamentarischer Mitarbeiter im Nationalratsklub der SPÖ. Das Aufwachsen in einem politischen Elternhaus habe ihn natürlich geprägt, erzählt Kaiser, der sich etwa an Abendessen mit Parteivorsitzenden und Bundeskanzlern erinnert, denen er als Jugendlicher beiwohnen konnte.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) mit seinem Sohn Luca, derzeit Student und parlamentarischer Mitarbeiter
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Es ist auch nachvollziehbar, dass ein politisches Elternhaus Interesse beim Nachwuchs wecken kann – und Söhne oder Töchter von Politikern eben manchmal selbst in die politische Arena steigen wollen. "Dass Kinder oft denselben Beruf ergreifen wie ihre Eltern, kennt man ja auch von Ärzten oder Anwälten", sagt der Politikberater Thomas Hofer. "In der Politik muss es kein Nachteil sein, wenn schon die Eltern hohe Funktionen bekleidet haben. Die Kinder von Politikern stehen aber unter genauerer Beobachtung."

Wer einen Blick auf die Listen parlamentarischer Mitarbeiter wirft, entdeckt in fast allen Klubs prominente Nachnamen. Auch in der Landespolitik gibt es immer wieder Erbfolgen: Der Salzburger Landeshauptmann hieß schon von 1977 bis 1989 Wilfried Haslauer. Josef Pröll war seinerzeit der berühmteste Neffe Österreichs; Josef Krainer senior wie auch junior standen der Steiermark als Landeshauptmann vor.

Pröll trifft Pröll: Das hieß 2008 bis 2011, dass der niederösterreichische Landeshauptmann seinem Neffen, dem Bundesparteiobmann der ÖVP, begegnet
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Rotes Wien verschrien

Natürlich gibt es auch ganze politische Clans: Man kennt das vor allem aus den USA – etwa die Kennedys oder die Bushs. In Österreich sitzen mit Hans-Jörg Jenewein und Dagmar Belakowitsch erstmals Bruder und Schwester im Nationalrat. Allerdings sagt Jenewein, dass in seinem Elternhaus "nahezu jede Farbe zu finden" war. Er und seine Schwester sind beide seit 1991 bei der FPÖ, er trat kurz vor ihr ein. "Ich denke, dass ich keine Vorbildwirkung hatte. Ich war damals 16 Jahre alt und hatte auf meine 22-jährige Schwester bestimmt keinen Einfluss."

Das rote Wien ist verschrien dafür, dass viele bekannte Politikerinnen und Politiker miteinander liiert sind oder waren. Oft genanntes Beispiel ist die bis heute bestehende Beziehung zwischen der früheren Stadträtin Sonja Wehsely und dem Ex-Klubchef und jetzigen EU-Delegationsleiter Andreas Schieder, Sohn des verstorbenen SPÖ-Politikers Peter Schieder. "Paare finden häufig über ihre Ausbildung oder den Job zueinander, das ist in der Politik nicht anders als in anderen Berufen", sagt Hofer. In der Politik seien es dann eben oft schon Vorfeld- oder Jugendorganisationen, über die politisch Gleichgesinnte einander kennenlernen.

Bei den Neos ist die Abgeordnete Stephanie Krisper die Ehefrau von Beate Meinl-Reisingers Cousin. Der Schwiegersohn des verstorbenen Bundespräsidenten Kurt Waldheim heißt Othmar Karas, arrivierter ÖVP-Mann in Brüssel. Und erinnern Sie sich an Flora Petrik? Die junge Frau, die als Sprecherin der Jungen Grünen die Partei über Wochen vor sich hertrieb, ehe Grünen-Chefin Eva Glawischnig kapitulierte? Petriks Mutter Regina sitzt bis heute im burgenländischen Landtag und ist Vizechefin der Bundespartei.

Aber sind familiäre Verstrickungen in der Politik nun Fluch oder Segen? Eine für alle gültige Antwort gebe es darauf nicht, sagt Hofer. Es könne natürlich ein Startvorteil sein, wenn der eigene Nachname beim Wähler bereits positiv besetzt ist. Andererseits: "Sobald die Vermutung aufkommt, es könne sich jemand über seine Verwandtschaft Vorteile erschleichen, schlägt das schnell um." Vorsichtig müsse eine Partei oder Landesorganisation jedenfalls sein, dass nicht der Eindruck erweckt wird, ein ambitionierter Außenstehender habe ohne "Vitamin B" gar keine Chance, führt Hofer aus.

Haiders Tochter?

Der Fluch großer Namen kann einen aber auch zufällig treffen: So herrschte unter Journalisten im vergangenen Jahr große Aufregung, weil man Jörg Haiders Tochter als Mitarbeiterin in Straches Ministerium entdeckt zu haben glaubte. Bei Nachfrage stellte sich heraus: Es handelte sich um eine Frau, die mit dem einstigen FPÖ-Chef gar nichts zu tun hatte – sondern lediglich denselben Namen trug wie die Politikertochter. (mika, fsc, 20.7.2019)