Vor wenigen Wochen hat die Europäische Mission grünes Licht für eine spektakuläre neue Mission gegeben: Comet Interceptor, bestehend aus drei Raumsonden, soll einen Kometen abpassen, der sich erstmals auf den Weg in das innere Sonnensystem macht. Ziel ist es, den Einfluss der Sonnenstrahlung auf Kometen zu untersuchen – indem ein Objekt anvisiert wird, das sich noch nie zuvor der Sonne angenähert hat. Womöglich könnte im Rahmen der dreiteiligen Mission auch erstmals ein interstellares Objekt untersucht werden.

Künstlerische Darstellung der Mission Comet Interceptor. Die Raumsonden sollen "hinter" der Erde geparkt werden und dort auf ein günstiges Zielobjekt warten.
Illustration: Esa

Auf der Lauer

Die Mission soll 2028 ins All starten und zunächst am sogenannten Lagrange-Punkt L2, der 1,5 Millionen Kilometer – von der Sonne aus gesehen – "hinter" der Erde liegt, geparkt werden. Dort soll sie auf der Lauer liegen und bei günstiger Gelegenheit zu einem geeigneten Zielobjekt weiterfliegen. Die Reise kann Monate oder Jahre dauern. Kurz vor der Ankunft sollen sich die drei Komponenten der Mission, die Sonden A, B1 und B2, voneinander trennen und das Zielobjekt im Vorbeiflug untersuchen.

Comet Interceptor könnte einen Kometen aus der Oortschen Wolke untersuchen, der sich auf den Weg ins innere Sonnensystem macht.
Grafik: Esa

Die Raumfahrzeuge sollen gleichzeitige Beobachtungen von mehreren Punkten um den Kometen herum durchführen. Jede Sonde wird mit komplementären wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet, die Messungen des Kometenkerns, seiner Gas-, Staub- und Plasmaumgebung aus verschiedenen Perspektiven erlauben. Aus diesen Daten, so hoffen Wissenschafter, lässt sich ein völlig neues Bild eines "kosmischen Fossils" in seiner Umgebung zeichnen – denn angesteuert werden soll ein Komet, der noch unberührtes Material aufweist, das vom Beginn des Sonnensystems stammt und nicht durch die Hitze der Sonne verändert wurde.

67P/Tschurjumow-Gerassimenko, der Zielkomet der Mission Rosetta, aus einer Nähe von 28,6 Kilometern.
Foto: ESA/Rosetta/NAVCAM

Oortsches oder interstellares Objekt

"Unberührte Kometen sind völlig unbekannt und bieten ein hochinteressantes Ziel für die Erforschung aus nächster Nähe, um die Vielfalt und Entwicklung dieser Objekte besser zu verstehen", sagte Günther Hasinger, Esa-Direktor für Wissenschaft. Comet Interceptor baue auf den wissenschaftlichen Erfolgen der beiden vorangegangenen Esa-Kometenmissionen Giotto und Rosetta auf, so Hasinger. Giotto war 1985 zur Erforschung des Halleyschen Kometen ins All geschickt worden, Rosetta startete knapp zwei Dekaden später und schaffte 2014 die erste Landung auf der Oberfläche eines Kometen. Beide untersuchten Kometen sind kurzperiodisch, sie haben sich der Sonne schon sehr oft angenähert und wurden durch ihren Einfluss verändert.

Künstlerische Darstellung des interstellaren Objekts Oumuamua, das 2017 unser Sonnensystem besuchte.
Illustration: ESA/Hubble/NASA/ESO/M. Kornmesser

"Jetzt ist es an der Zeit, einen unberührten Kometen zu besuchen oder sich auf das nächste Oumuamua-ähnliche interstellare Objekt vorzubereiten", sagte Hasinger. Dieser 400 bis 800 Meter lange Brocken, der im Oktober 2017 mit einem Teleskop auf Hawaii erspäht wurde (daher auch der hawaiianische Name), ist das erste im Sonnensystem entdeckte Objekt, das aus dem interstellaren Raum stammt. Inzwischen gehen Astronomen davon aus, dass dieser ungewöhnliche Besuch kein Einzelfall war. Dass ein solch exotisches Objekt zum Ziel der neuen Esa-Mission wird, wäre ein großer, wenn auch recht unwahrscheinlicher Glücksfall. Aber wenn es wo Überraschungen gibt, dann im All. (dare, 22.7.2019)